Kommt man klüger aus dem Rathaus als man hineingeht?

Das besagt jedenfalls ein altes Sprichwort. Ich beziehe das auf die Sitzungen der Ausschüsse und der Gemeindevertretung, die zwar nicht mehr im Rathaus, sondern auch wegen des zunehmenden Interesses teilnehmender Bürger in den Saal das Ortsteilzentrums Ahrensfelde verlegt wurden.

Rathaus Ahrensfelde

Ich für meinen Teil komme oft gelangweilt, verwirrter aus solchen Sitzungen und verstehe danach die Welt nicht mehr. Nehmen wir nur einmal das Beispiel Senioren- und Behindertenbeirat. In ganz Brandenburg, auch bei unseren Nachbarn in Bernau, in Panketal, Hoppegarten oder in Altlandsberg gibt es diese ehrenamtlichen Gremien, die das gesellige und kulturelle Leben der Silberköpfe wie bei uns organisieren. Aber mit einem sehr großen Unterschied, sie haben immer Stimme und manchmal auch Sitz in den Stadt- und Gemeindeparlamenten, weil die Verantwortlichen dort klug sind, jedenfalls scheinbar klüger als unsere Verwaltung und die Abgeordneten.  
Die Seniorenbeiräte sind ein sinnvolles Bindeglied zwischen Senioren, Kommunalparlament und Verwaltung. Sie vertreten die Interessen der älteren Mitbürger und bringen sich mit Ideen und Forderungen aktiv in die Kommunalpolitik ein. Sie bauen Netzwerke und schlagen Projekte vor, prüfen Beschlüsse vorab, was sie für die älteren Bürger bedeuten würden. 

Rathaus Altlandsberg

Niemand käme in Altlandberg auf die Idee, auf den Erfahrungsschatz und das Wissen von Senioren zu verzichten, wenn es um ureigenste Angelegenheiten der früher geborenen Generation geht, ob beim Wohnungsbau, den Verkehrsproblemen, der Mobilität oder den sozialen Dienstleistungen. Und in Panketal? Dort nehmen Vertreter des Seniorenbeirates an den monatlich stattfindenden Sitzungen des Ausschusses für Ortsentwicklung, Bauen und Verkehr sowie des Ausschusses für Soziales, Bildung, Kultur und Sport und in der Gemeindevertretung teil. Die hauptsächliche und eigentliche Aufgabe des Seniorenbeirats besteht in der Beratung und Unterstützung der Gemeindevertretung und Verwaltung in allen Fragen, die Belange der älteren Generation betreffen. Sieh einmal an, das Gute liegt so nah!

Rathaus Panketal 

Ich habe mir einmal die Veranstaltungspläne der zweifellos verdienstvollen Seniorenarbeit in Ahrensfelde angesehen. Nicht ein einziges Treffen in all den vier Jahren hatte ein kommunalpolitisches Thema auf der Tagesordnung, weder zum Baugeschehen, noch zum Verkehr, weder zu ärztlichen Engpässen, ja nicht einmal zu Bänken zwischen Rathaus und Heinestraße oder Fichtestraße und S-Bahnhof. Nicht ein einziges Treffen.
Das soll nicht die hingebungsvolle Arbeit der engagierten Bürger in den Ortsteilen schmälern, die sich dort für die Senioren-AG engagieren. Viele Seniorinnen und Senioren in unserer Gemeinde sind aktiv, mobil und engagiert. Ihre Interessen und Lebensverhältnisse sind so vielfältig wie bei jüngeren Menschen. Und ihr Wissen und ihre Erfahrungen sind für die Gesellschaft von unermesslichem Nutzen, denn sie gestalten mehrheitlich engagiert das kulturelle und gesellschaftliche Leben in Ahrensfelde. Im Ehrenamt sind sie unverzichtbar, betont Bürgermeister Gehrke in seinen Sonntagsreden. Aber das war es schon.
In Brandenburg leben laut Amt für Statistik Berlin-Brandenburg über 638.670 Menschen, die älter als 65 Jahre sind. Das sind rund 25 Prozent der Gesamtbevölkerung. Laut der aktuellen Bevölkerungsprognose wird ihre Zahl der über 65-Jährigen bis zum Jahr 2030 auf 760.000 steigen. Damit würde der Anteil der Älteren an der Gesamtbevölkerung auf 30 Prozent anwachsen. Nicht anders wird es in unserer Gemeinde sein.
Das Land Brandenburg hat unserer Verwaltung und der Gemeindevertretung Leitlinien für die Seniorenarbeit an die Hand gegeben und ich fürchte wie bei vielen anderen grundlegenden Dokumenten eine erschreckende Unkenntnis. Deshalb hier die wichtigsten Gebiete, in denen die Abgeordneten und die Mitarbeiter mit der Silbergeneration, zu der auch ich gehöre, zusammenarbeiten sollten, ja müssen:

1. Das Wohnen  und Leben in den Ortsteilen seniorengerecht gestalten, mit allem, was dazu gehört, auch hier in gewohntem Umfeld in Würde und umsorgt den letzten Lebensabschnitt zu verbringen.

2. Die Mobilität gewährleisten, für alle die gut zu Fuß sind, die mit dem Rollator unterwegs sind, die abgeholt und gefahren werden müssen, die sich auf Bänken verschnaufen oder im Schutz eine Wartehäuschen auf den Bus harren wollen und die sich nicht auf schlechten Gehwegen einen Oberschenkelhalsbruch zuziehen wollen.

3: Gesundheitsversorgung und Pflege sichern. Mit der Pflege scheint es einigermaßen zu klappen, aber bei den Dentisten und erst bei den Hausärzten ist die Lage katastrophal. Kaum Aufnahme von neuen Patienten, ansonsten Wartezeiten von einem halben Jahr sind nicht die Ausnahme, oft die Regel.

 4: Lebenslanges Lernen für die ältere Generation gestalten, sie geduldig zu befähigen, sich in einer Lebenswelt der zunehmenden Digitalisierung nicht ausgeschlossen zu sein und

5: Engagement ermöglichen und gesellschaftliche Teilhabe fördern, auch mit einem Senioren- und Behindertenbeirat, der Mitsprache als sachkundige Einwohner mindestens in den Ausschüssen für Wirtschaft, Bauwesen, Natur und Umwelt sowie für Soziales und Kultur und Rederecht in der Gemeindevertretung.

Hat sich die Gemeindevertretung schon einmal so komplex damit befasst? Was für eine Frage! Das wäre wünschenswert, ist aber nie geschehen, ja nicht einmal in dem dafür zuständigen Ausschuss. Das wäre ein sinnvollen, abendfüllendes Thema, statt die Beratung mangels Sachthemen ausfallen zu lassen. Oder ist es sogar gewollt, nicht an den offensichtlichen Defiziten zu rühren? Wenn die Abgeordneten in der Gemeinde kollektiv auf die Ahrensfelder Unabhängigen einschlagen, dann ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass es sich um eine integre Fraktion handelt, die das tut, was die Wähler wirklich wollen.

Fazit: Mit zunehmendem Alter steigt tatsächlich die Chance, weise zu werden. Dazu gehört die Fähigkeit, ein ausgewogenes Urteil zu fällen. Bei wissenschaftliche Tests neigten Ältere eher dazu, ein Problem aus mehreren Perspektiven zu betrachten und die näheren Umstände zu würdigen, die zu diesem Problem führten. Zudem berücksichtigten die älteren Personen in ihren Voraussagen die Unwägbarkeiten zukünftiger Entwicklungen. Also ganzheitliches Denken. Nutzen und Risiko abwägen, dass sind Eigenschaften, die heute auch in einer komplexeren und komplizierter werdenden Kommunalpolitik unverzichtbar sind und wir verzichten dennoch darauf.

Ja wie ignorant und dumm sind wir eigentlich in Ahrensfelde?

Fotos: Hartmut Moreike

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