Ein plumper Versuch, die Bürger zu entmündigen?

 

Nun, dass die Bürgerbeteiligung nicht gerade das Lieblingsthema der Gemeindevertretung und der Verwaltung ist, das ist klar wie Kloßbrühe. Aber was jüngst im Hauptausschuss unter der Leitung des Elektrikers Stock (AWG) passiert ist, ist mehr als ein Kurzschluss, ja eine Frechheit. Denn die ohnehin recht dürftige Einwohnerbeteiligungssatzung, was die Möglichkeiten der Mitwirkung der Bürger an kommunalen Entscheidungen betrifft, soll verändert werden. Eigentlich eine längst notwendige Sache. Doch was sich da vielleicht auch die Juristen in der Verwaltung ausgedacht haben, schlägt meiner Meinung nach dem Fass den Boden aus, ist, vorsichtig ausgedrückt, ein Skandal.
Es wird vorgeschlagen, die Einwohnerbefragung nach Einwohnerantrag grundsätzlich online durchzuführen. Etwa Befragung nur nach Kassenlage? Das, Herr Vorsitzender des Hauptausschusses Stock, ist grober Unsinn. Denn erstens ist es ein eklatanter Verstoß gegen den § 14 der Kommunalverfassung gegen die  §§ 19 und 17 der Landkreis- und Gemeindeordnung, die
 keine Einengung der Befragung vorsehen. Natürlich kann angestrebt werden, neben der Briefbefragung, eine Online-Umfrage durchzuführen, aber doch ohne Online als erste Wahl und das Amen in der Kirche zu beschließen und anderes als vage Ausnahme. Dass dann die Vertrauensperson ausgeschlossen würde, ist ein weiterer nicht hinnehmbarer Verstoß.

Die Kommunalverfassung schreibt das Prozedere ganz klar vor. Kennen die Mitglieder des Hauptausschusses die Kommunalverfassung nicht oder setzen sie sich einfach kühn darüber hinweg? So dumm dürften doch die Abgeordneten nicht sein, oder? Zweitens werden Bürger, die bewusst auf einen PC und ein Smartphon verzichten, von der Befragung ausgeschlossen. Diese Diskriminierung ist nicht hinnehmbar. Darauf wurde schon in Diskussionen verwiesen.
Auch spricht der Datenschutz sicher gegen die einmal geplante notwendige Anlage eines Benutzerkontos. Das sind, meiner Meinung nach, bewusste Hindernisse, um eine Befragung zu erschweren. Wenn schon Online-Befragung, ist doch genau festzulegen, wie möglichst alle Bürger ab 16 Jahren an der Befragung teilnehmen können und deren Teilnahme auch zu sichern. Wenigstens mit PC-Angeboten in den Ortsteilzentren und im Rathaus.

Auch kann die Gemeindevertretung doch keine Befragung nach einem Einwohnerentscheid ablehnen, wie hier wohl vorgesehen ist, wenn die Bedingungen der Kommunalverfassung erfüllt sind. Aber genau das steht im Entwurf: "Die durch den Antrag formulierten Fragestellungen und Antworten können durch die Gemeindevertretung nur mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der anwesenden Stimmen abgeändert oder ganz abgelehnt werden." Nein, kann sie überhaupt nicht! Ja für wen halten sich denn die Abgeordneten? Das wäre eine Gängelung der freien Meinung der Bürger und ein Stich ins Herz der direkten Demokratie. Ja, eine recht seltsame und sinnfreie Auslegung der Kommunalverfassung. Soll hier die Manipulation, so sehen es die Initiatoren, der Befragung zum Bauprojekt Ulmenallee der EKBO-Siedlung nachträglich gerechtfertigt werden? Die Gemeindevertretung und auch die Verwaltung können so viel Einwohnerbefragungen machen, wie sie wollen, doch die der Bürger erzwungenen Fragen dürfen nicht verändert werden. 

Inzwischen hat mich die Zeit eingeholt als ich noch beim Überarbeiten dieses Blog-Beitrags war. Die Onlinebefragung für den Ortsteil Lindenberg ist gerade angelaufen. Diese Befragung muss laut Kommunalverfassung durchgeführt werden, denn das Quorum ist geprüft und bestätigt. Die Fragestellung der Antragstellerin: „Sollen der Flächennutzungsplan geändert und im Ortsteil Lindenberg - Lindenberg/Neu-Lindenberg/Klarahöh - weitere Ackerflächen in Bauland umgewandelt werden?" Ja oder Nein und mir fiele das Nein leicht, doch ich bin nicht gefragt. Soweit so gut. Aber in der begrüßenswerten Absicht, die Befragung so einfach wie möglichst zu machen, ist sie zugleich zur Farce geworden. 

Denn da 
sie anonym ist, ohne Name und Adresse, muss nur bestätigt werden, dass derjenige, der abstimmt, in Lindenberg wohnt und die Grundrechenart Addieren der 1. Klasse beherrscht. Nun gibt es im Lande 27 Lindenberg vom Allgäu über die Pfalz bis nach Vorpommern, von einer Stadt über Gemeinden bis zu Ortsteilen, die berechtigt wären, mitzustimmen.  Es sollte mich zwar wundern, wenn all diese Leute aus Lindenberg von ihrem Stimmrecht Gebrauch machen. Gut, das ist natürlich Quatsch, der aber zeigt, dass diese Umfrage in die Altpapiertonne gehört. Jeder kann behaupten, ein Lindenberger zu sein!

Die Gemeinde sollte die Bürger ohnehin öfter befragen, Folgendes gehört in die Einwohnerbeteiligungssatzung. Die Aktivierende Befragung, das heißt, die Gemeinde befragt  Bürger zu wohnortbezogenen Themen. Diese Befragung soll Einwohner anregen, für ihre Interessen einzutreten und zu kommunalen Problemen Lösungen zu entwickeln. Dann wäre noch das Bürgerpanel in die Satzung aufzunehmen, was heißt, dass die Gemeinde in regelmäßigen Abständen eine möglichst große Gruppe repräsentativ ausgewählter Bürger zu ihrer Arbeit in der Kommunalpolitik befragt. Ziel ist es, abzubilden, wie sich die Meinung der Bürger über Jahre hinweg ändert. Natürlich kann das mit einem externen Partner geschehen. Das und auch ein Seniorenbeirat gehörten in eine geänderte, aufgefrischten Satzung. Aber das aufzunehmen, wäre für Ahrensfelde zu viel an direkter Demokratie. Und so ist die Veränderung der Einwohnerbeteiligungssatzung wieder nur eine billige Kosmetik. 

Der Hohn der Missachtung der Bürger ist zudem, dass die Initiatoren der Befragung nicht an der Auszählung teilnehmen dürfen. Das hat schon Methode, aber nichts, aber keinen Jota mit Demokratie zu tun. Natürlich muss sich die Gemeindevertretung nicht nach dem Ergebnis des Einwohnerentscheids richten, hat sie auch nicht, obwohl das wieder zeigt, wie abgehoben von der Realität das Rathaus und sein Chor in der Gemeindevertretung sind. 

Mitbürger, Ahrensfelder, wenn wir uns das gefallen lassen, denn das steht unter anderem auf der Tagesordnung der Gemeindevertretung am 20. November um 18.00 Uhr, entmündigen wir uns selbst!

Fotografik, Foto Autor, Cartoon HBS


Übrigens, das war mein 100 Post seit März 2023. Ich danke allen Lesern meines Blogs und werde weiter schreiben: Sachlich, kritisch und optimistisch wie immer.


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