Ich denke einmal über hundert Jahre zurück
Mein
Großvater, nur einmal angenommen, hätte hier gelebt, ein Feld bearbeitet im Schweiße
seines Angesichts mit Kartoffeln bestellt, ein anderes mit Weizen, eines mit
Weißkohl und zwei kleinere mit Rübchen und Rosenkohl. Alles hätte er auf den
Märkten im Norden Berlins verkauft. Ein wenig als Futter zurückbehalten, für
die drei Schweine im Stall und die zwei Ziegen und das Pferd. Manchmal wäre er
in die Gastwirtschaft gegangen, um mit anderen Kleinbauern zu reden. Am
Sonntag, nach dem Gottesdienst haben die Frauen noch zusammengestanden und ein
bisschen getrascht, die Männer haben Geschäfte gemacht, mit Handschlag Vieh ge- und verkauft,
auf die schlechten Preise geschimpft und mit dem Schmied einen Termin
ausgemacht, wann das Pferd beschlagen werden sollte.
So
ungefähr sah das Dorfleben vor hundertfünfzig Jahren im Niederbarnim aus. Die
Leute waren nicht reich und nicht arm und lebten ein friedliches, einfaches
Leben. Und niemand wäre auf die Idee gekommen, außerhalb der Dorfgemeinde
Siedlern zu gestatten, ein Haus zu bauen. Keiner hätte sich sein Dorf ohne ein
Gasthaus vorstellen können und ohne zünftige Feste für das ganze Dorf, wenn die
Ernte eingebracht und wenn das Getreide gedroschen ist. Und wenn das Frühjahr
kam, der März, in dem der Bauer einem Volkslied nach seine Rosse anspannt, dann
nahmen die Bauern eine Handvoll Erde hoch, rochen an der heimatlichen Erde und
zerbröselten achtungsvoll und zufrieden das, was ihnen das tägliche Brot
bescherte.
Stets
hat der Pflug die Erde gestaltet und nicht das Geschütz, denn wenn der König
zum Krieg rief, starben die Männer, verwüsteten die Felder, hungerte das Land.
Pflügender Bauer mit Ochsen (Ausschnitt)
A. Groenewegen 1910?
Nun
ist kaum ein Dorf wiederzuerkennen, der Fortschritt und die Technik haben das
Land und die Menschen verändert. Und die Menschen in den Dörfern der Gemeinde
Ahrensfelde sind nicht mehr die Bauern, sondern vor allem Siedler, die den Wert
des Bodens nicht mehr schätzen, seinen Wert nur als Quadratmeterpreis für den
Hausbau kennen, jetzt 413 Euro im Schnitt. Und weil die Siedlerfamilien natürlich Kinder
hatten, mussten Kindergärten und Schulen gebaut werden, oft natürlich auf dem
Acker, was den Bauern reich machte und er begriff, dass der Boden als
Spekulationsobjekt viel mehr einbringt, als würde er ihn bestellen. Und weil
diese Siedler irgendwo Lohn und Brot verdienen mussten, es waren ja keine
Bauern, sondern Handwerker, Techniker und Makler für Geld und Versicherungen,
mussten die Straßen breit werden für immer schnellere Autos, brauchten
Schienenwege ihren Platz und weil das Gewerbe in Berlin keinen Platz mehr hatte,
zog es aufs Land, auch nach Ahrensfelde. Die Dörfer verloren ihr Gesicht, ihre
Vertrautheit, ihre nachbarschaftliche Solidarität, das Heimatgefühl.
Noch umgeben Felder und Grünland die Ahrensfelder Ortsteile, aber diese Grünflächen werden immer weiter angefressen von Siedlungen, die Spekulanten reich und die Natur arm machen. Siedlungen wie die an der Birkholzer Allee, das Winterdorf, die von der Gemeindevertretung auch gegen den massiven Bürgerwillen im Januar bestätigt werden wird, wie schon Bonavas "In den Obstwiesen" an der Kirschenallee oder die EKBO-Kirchensiedlung entlang der Lindenberger Straße. Wie kann das sein? Und wie kann das denn sein, dass die, die mit gesundem Menschenverstand diesen Zustand ändern wollen, die sich für den Erhalt von Äckern und Weiden, für den Schutz von Fauna und Flora engagieren, beschimpft, beleidigt und ausgegrenzt werden. Verkehrte Welt.
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