Ich denke einmal über hundert Jahre zurück

Mein Großvater, nur einmal angenommen, hätte hier gelebt, ein Feld bearbeitet im Schweiße seines Angesichts mit Kartoffeln bestellt, ein anderes mit Weizen, eines mit Weißkohl und zwei kleinere mit Rübchen und Rosenkohl. Alles hätte er auf den Märkten im Norden Berlins verkauft. Ein wenig als Futter zurückbehalten, für die drei Schweine im Stall und die zwei Ziegen und das Pferd. Manchmal wäre er in die Gastwirtschaft gegangen, um mit anderen Kleinbauern zu reden. Am Sonntag, nach dem Gottesdienst haben die Frauen noch zusammengestanden und ein bisschen getrascht, die Männer haben Geschäfte gemacht, mit Handschlag Vieh ge- und verkauft, auf die schlechten Preise geschimpft und mit dem Schmied einen Termin ausgemacht, wann das Pferd beschlagen werden sollte.


Getreideernte im Abendlicht  (Ausschnitt)  George V. Cole 1876

So ungefähr sah das Dorfleben vor hundertfünfzig Jahren im Niederbarnim aus. Die Leute waren nicht reich und nicht arm und lebten ein friedliches, einfaches Leben. Und niemand wäre auf die Idee gekommen, außerhalb der Dorfgemeinde Siedlern zu gestatten, ein Haus zu bauen. Keiner hätte sich sein Dorf ohne ein Gasthaus vorstellen können und ohne zünftige Feste für das ganze Dorf, wenn die Ernte eingebracht und wenn das Getreide gedroschen ist. Und wenn das Frühjahr kam, der März, in dem der Bauer einem Volkslied nach seine Rosse anspannt, dann nahmen die Bauern eine Handvoll Erde hoch, rochen an der heimatlichen Erde und zerbröselten achtungsvoll und zufrieden das, was ihnen das tägliche Brot bescherte.

Stets hat der Pflug die Erde gestaltet und nicht das Geschütz, denn wenn der König zum Krieg rief, starben die Männer, verwüsteten die Felder, hungerte das Land.


Pflügender Bauer mit Ochsen (Ausschnitt) 

A. Groenewegen 1910?


Nun ist kaum ein Dorf wiederzuerkennen, der Fortschritt und die Technik haben das Land und die Menschen verändert. Und die Menschen in den Dörfern der Gemeinde Ahrensfelde sind nicht mehr die Bauern, sondern vor allem Siedler, die den Wert des Bodens nicht mehr schätzen, seinen Wert nur als Quadratmeterpreis für den Hausbau kennen, jetzt 413 Euro im Schnitt. Und weil die Siedlerfamilien natürlich Kinder hatten, mussten Kindergärten und Schulen gebaut werden, oft natürlich auf dem Acker, was den Bauern reich machte und er begriff, dass der Boden als Spekulationsobjekt viel mehr einbringt, als würde er ihn bestellen. Und weil diese Siedler irgendwo Lohn und Brot verdienen mussten, es waren ja keine Bauern, sondern Handwerker, Techniker und Makler für Geld und Versicherungen, mussten die Straßen breit werden für immer schnellere Autos, brauchten Schienenwege ihren Platz und weil das Gewerbe in Berlin keinen Platz mehr hatte, zog es aufs Land, auch nach Ahrensfelde. Die Dörfer verloren ihr Gesicht, ihre Vertrautheit, ihre nachbarschaftliche Solidarität, das Heimatgefühl.


"In den Obstwiesen" Bonava-Siedlung in der Kirschenallee

Und das vollzieht sich in immer schnellerem Wandel, so dass es vielen schon egal ist, was und wo noch gebaut werden soll, wo wieder ein Stück Acker verschwindet, der Wald gerodet wird für eine Windkraftanlage, die eine Windschleppe erzeugt, unter der der Acker verdorrt. Und je größer und schneller die Siedlungen das Land fressen, um so mehr Nahrung muss von weit her ins Land gebracht werden, in die Dörfer, die sich früher selbst ernährten. Und der Transport macht die Waren teuer und vergiftet die Umwelt. Und dieser Prozess scheint unaufhaltsam. Alles ist keine Laune der Natur, sondern von Menschen gemacht. Das sagte schon vor 2.500 Jahren der Philosoph Platon: Diese Stadt ist so, wie sie ist, weil unsere Bürger so sind, wie sie sind.“


Herbstidyll - Hartmut Moreike - 2020

Noch umgeben Felder und Grünland die Ahrensfelder Ortsteile, aber diese Grünflächen werden immer weiter angefressen von Siedlungen, die Spekulanten reich und die Natur arm machen. Siedlungen wie die an der Birkholzer Allee, das Winterdorf, die von der Gemeindevertretung auch gegen den massiven Bürgerwillen im Januar bestätigt werden wird, wie schon Bonavas "In den Obstwiesen" an der Kirschenallee oder die EKBO-Kirchensiedlung entlang der Lindenberger Straße. Wie kann das sein? Und wie kann das denn sein, dass die, die mit gesundem Menschenverstand diesen Zustand ändern wollen, die sich für den Erhalt von Äckern und Weiden, für den Schutz von Fauna und Flora engagieren, beschimpft, beleidigt und ausgegrenzt werden. Verkehrte Welt. 


Gemälde Archiv, Foto und Gemälde Autor

 

 

 


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