7fach Egoistisches gegen das Winterdorf und ein Herz für Bauern
Erstens mag ich das Trillern und Flöten der Feldlerche
über einem Acker ebenso das Rauschen des Getreides im Wind, wobei der unreife Roggen wogt wie
Wellen im Meer und rauschen, so als erzählen sich die kernschweren Ähren eine Geschichte.
Und dann erinnert mich das duftende Sommerkorn an meine erste Liebe, der ich ein
Gedicht gewidmet habe: Stroh im Haar aus dem Gedichtband "Amorelles":
"Weiches Bett im Weizen, wo wir uns geküsst, du mit deinen Reizen uns die Nacht versüßt.............Als der Morgen graute, lagst du nackt und bloß mit einem feinen Lächeln noch in meinem Schoß. Als wir heimwärts gingen, Arm in Arm so wunderbar, hatte ich Lust zu singen und du?...Stroh im Haar."
Gut, das ist Vergangenheit. Zweitens aber so manchen
Morgen, wenn ich genussvoll in ein Brötchen beiße, denke ich, wie viel Mühe es
macht, das Korn zu säen, zu ernten, zu mahlen und schließlich zu meinem
Brötchen zu backen. Und für die Butter brauchen die Kühe saftiges Gras und kein
Beton und für den Honig auf meiner Schrippe, so sagen die Berliner, brauchen
die Bienen blühend gelbe Rapsfelder. Und so brauche ich, um am Leben zu bleiben
und nicht zu darben, mindestens drei Mal am Tag die zu Lebensmitteln gewordene
Arbeit der Bauern, von denen es in unserer Gemeinde immer weniger gibt und denen Berlin und Brüssel unverschämt und dreist buchstäblich den Boden unter Händen und Füßen wegziehen.
Das alte Dorf Ahrensfelde, drittens, hat sich früher
nicht nur mit allem, was zum Leben gebraucht wurde, selbst versorgt und ernährt,
es hat noch den Überschuss auf die umliegenden Märkte gebracht, also Federvieh,
Milch und Butter, Getreide und Fleisch verkauft, um Geld für Geschirr für
die Pferde, für einen Pflug oder die Kleidung zu haben. Das ist Nostalgie, Vergangenheit, perdu.
Heute gibt es viertens noch nicht einmal mehr zehn landwirtschaftliche Betriebe in unserer Gemeinde und unsere Mittel zum Leben, über den Begriff Lebensmittel sollte jeder, der für eine neue Wohnsiedlung und der Zerstörung von Acker ist, nachdenken, kommen von weit her. Die Transporte, ob per LKW, Schiff oder Flugzeug verpesten nicht nur die Umwelt, die Produkte sind oft selbst, auch wenn auch nur in Mikrogramm, verpestet.
Und fünftens habe ich ein wenig in jungen Jahren in die Landwirtschaft hineingeschnuppert. Denn wir haben nicht an Kreuzungen gebettelt für unseren Abi-Ball, sondern im uckermärkischen Schmölln Schafställe ausgemistet, Getreide in Hocken aufgestellt, endlose Maisfelder mit der Hacke von Unkraut befreit, Heu von den Wiesen an der Alten Oder und Grünfutter auf Leiterwagen gestakt, um nur einige Arbeiten zu nennen von morgens um sieben bis zum Sonnenuntergang. Erst im Volksgut und dann bei Privatbauern.
Ich war sechstens einige Male in der Gemeinde Kzreszyce in Polen. Dort verzichten die Kleinbauern gezwungenermaßen auf künstlichen Dünger und Chemikalien gegen Unkraut und Schädlinge, weil sie sich es nicht leisten können. Aber ihr Weißkohl ist kürbisgroß, die Roten Rüben haben Kindskopfgröße und ihre faustgroßen Kartoffeln sehen aus wie gemalt. Kein Wunder, dass ihr Stand beim Vogelscheuchen-Fest im benachbarten Altlandsberg stets regelrecht bestürmt wird. Gesunde Lebensmittel ohne Glyphosat und Co.
Und letztlich siebentens, weil ich selbst gern koche und mir nicht egal ist, was meine Liebsten auf den Teller bekommen. Am besten wären solche Produkte, die ich reifen und wachsen gesehen habe, aber immer regional. Gerade jetzt nach Weihnachten, wo es Ente aus Schmölln, Rotkohl aus dem Spreewald, Grünkohl aus dem Barnim und Kartoffelklöße gab, wobei ich darauf achte, dass die Knollen aus der Börde kommen und nicht aus der Pfalz. Mir graut schon von gezüchtetem Fleisch aus dem 3D-Drucker und Pflanzen aus Nährstoffbatterien aus lichtüberfluteten Hochhäusern, die weder Boden noch Sonne gesehen haben. Mahlzeit!
Fotos: Autor, Archiv Lebensmittelzeitung
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