Sylvester bleischwer in Ahrensfeldes Zukunft geschaut

Silvester ist es ein alter Brauch, in die Zukunft zu sehen. Bei uns zu Hause war das Bleigießen angesagt und wir versuchten aus den grotesken Figuren, die beim Gießen des flüssigen Bleis im Wasser entstanden, irgend etwas herauszulesen. Ich habe mich daran erinnert und versucht in der Silvesternacht mehrmals das Blei in ein Wodkaglas zu gießen, denn es war in Polen. Einige Male ist das schief gegangen, weil der Wodka über 40 Prozent hatte und zu brennen anfing. Nach polnischen Maßstäben war ich noch absolut nüchtern. 

Erst mit Wasser klappte es und ich habe die Zukunft für unsere Gemeinde von einem uralten, im ganzen Land bekannten Futurologen deuten lassen, der sogar eine eigene TV-Sendung "Wielki kłopot"  hat. Hier das Ergebnis, das mich wenig überrascht hat. 

Die erste Probe ergab, dass die Gemeindevertretung ihr Schattendasein im gewaltigen Schlagschatten des Rathauses seine Arbeit vollends einstellt, ohne auch nur eine brauchbare Idee für ein noch lebenswerteres Ahrensfelde den Nachfolgern im Juni zu hinterlassen. 

Das zweite Gebilde war recht blumig und an seiner Deutung gab es kaum Zweifel. Der Rathausplatz wird mit Streifen von Bienen liebenden Blühpflanzen bedacht, für die die naturliebende Frau Schenderlein das Gießen übernommen hat.

Die dritte Figur sah aus wie eine Himmelswolke, aber es könnte auch Qualm sein, was so auszulegen war, dass die Gemeinde den Kleintraktor von Herrn Stock für das erste Exponat des neu gegründeten Gehrke-Dorfmuseums kauft in Erinnerung an die letztlich sinn- weil erfolglosen Demonstrationen für eine Ortsumfahrung mit langem Tunnel.

Ein anderen Gussstück erinnerte fern an einen Paragraphen und konnte nur heißen, dass die Verwaltung mit huldvollem Segen der Gemeindevertretung einen fünften Juristen einstellt als Partner für externe Juristen im Streit um das notwendige Repowering von Windkraftwerken fünfhundert Meter entfernt von der zweiten im Bau befindlichen Grundschule.

Das neue glänzende Bleistück lies sich kaum ordentlich deuten, doch der ehrwürdige Futurologe aus Mystislowo war nicht umsonst eine Koryphäe auf dem Gebiet des Kaffeesatzlesens und des Knöchelchenwerfens. Er sagte voraus, dass der Investor Winter beim Tee mit dem Bürgermeister die Zusage erhielt, neben seinem Winterdorf bis zur Ahrensfelder Chaussee auf den restlichen 23 Hektar noch ein Paar Hochhäuser bauen zu dürfen, weil wir noch eine neue weiterführende Schule und der TSG Lindenberg noch eine Sporthalle bräuchten.

Das letzte Gussexemplar sah aus wie eine Art Hammer, an dem der Amboss hing. Aber umgedreht konnte hineingelesen werden, dass es sich um eine Art Kabine handeln würde. Und da fragte ich, ob es sich um eine Seilbahn handele und der Futurologe, er war im Nebenberuf Hellseher, strahlte übers ganze Gesicht. Es würde eine im doppelten Sinne Formazin-Kabinenbahn zwischen dem künftigen Gymnasium und der Grün-Weiß-Sporthalle gebaut. Wer könnte es besser als das ortsansässige Architektenbüro. Auf der beschaulichen Hinfahrt können sich die Schüler in ihren Sportdress umziehen und bei der Rückfahrt könnten sie die Duschkabinen benutzen, Männlein und Weiblein sowie Gender getrennt natürlich.

Als wir alle Bleiformen zu einem Puzzle so zusammenfügten, ergab es doch tatsächlich so etwas, das wie eine Kuh aussah. Nun war der Meister schon etwas wodkaselig, doch er lief zur Höchstform auf und meinte, die Grünen in unserem Dorfparlament würden einen Antrag einbringen, aus Klimagründen alle furzenden und rülpsenden Kühe wegen der Methanausscheidungen aus unserem Gemeindegebiet zu verbannen. Doch sie finden keine Mehrheit, weil der Bürgermeister dagegen ist. 

Ich habe all diese Deutungen am nächsten Morgen aufgeschrieben, obwohl ich Zweifel hatte, dass der Futurologe unsere Gemeinde so genau kannte, um solche exakten Voraussagen treffen zu können. Außerdem glaube ich solchen Humbug ohnehin nicht. Denn seit ich klein bin, achte ich stets darauf, kein Körnchen Salz zu verschütten, um nicht den Lauf der Planeten unseres Sonnensystems und ihre Harmonie durcheinander zu bringen.

Fotos: Archiv, Autor, Cartoon Bleigießen nach Renate Alf, Cartoon Kuh Autor

 


 

 

 




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