Gedanken zum UN-Welttag der Muttersprache
Es gibt weltweite Feiertage, Ereignisse oder Sachen, die von den Vereinten Nationen für würdig befunden wurden, im Kalender der Nationen einen Platz zu erhalten. Heute ist es der Tag der Muttersprache. Eine Nation zeichnet sich durch eine gemeinsame Sprache aus. Nicht umsonst heißt es: Die Sprache ist die Seele eines Volkes und der Schlüssel zur Welt. Aber eine Sprache lebt und das grobe Deutsche wurde im Laufe der Zeit feiner und anhörbarer, aber manchmal auch kurioser, wenn aus Kloster etwa Jungfernzwinger wurde oder aus Nase Gesichtserker. Natürlich ist es ein Gerücht mit einem etwas böswilligen und überheblich westlichen Zug, dass in der DDR Weihnachtsengel als geflügelte, geschlechtslose Himmelswesen bezeichnet wurden.
Im Laufe der Zeit wurden viele Worte aus anderen Ländern entlehnt und fanden ihren Eingang in unsere Alltagssprache, wie etwa Sputnik und Datscha aus dem Russischen, Mischpoke und Kaff aus dem Hebräischen, aus dem Französischen Accessoire und Debüt, dem Türkischen Döner und Heck-Meck und dem Italienischen, um nur einige zu nennen Fiasko und Graffiti. Sie sind einerseits Zeichen einer politischen und kulturellen Verbundenheit und andererseits durch Migration entstanden. Sie haben die deutsche Sprache oft bereichert und vereinfacht. Es ist heute kaum bekannt, dass auch Wörter wie Zufall für lateinisch accidens, Jahrhundert für lateinisch saeculum, Gewissensbiss für lateinisch conscientia und Geschmack für italienisch gusto entlehnt sind. Diese Eindeutschungen sind so gelungen, dass niemand auf die Idee kommt, sie als künstlich zu empfinden.
Dennoch, schließlich habe ich Journalistik studiert und mich damit zur Pflege und dem Schutz der Sprache verpflichtet, wird seit einigen Jahrzehnten Schindluder mit unserer Muttersprache betrieben, wird sie verhunzt. Es begann mit der amerikanischen Besatzung in einem Teil Deutschlands, wo es chic war, diese Amerikanismen zu gebrauchen. Ich habe einige Zeit in Lichterfelde im Schlagschatten amerikanischer Kasernen gelebt und mir Kaugummi und mehr damit verdient, dass ich versenkte Golfbälle aus den Teichen holte. Natürlich brachte das mit sich, dass ich einige Brocken Englisch aufschnappte und damit in der Schule im Prenzlauer Berg Erstaunen und Bewunderung genossen habe. Denn ich war je nachdem a little Naziboy oder a little cheeky Rowdy, der von Bluejeans träumte, an Swing Gefallen fand, den Slang unserer Einquartierung Lieutenant Lency, einem waschechten Indianer nachahmte, der Comics mit Striptease-Tänzerinnen las.
Die Amerikanisierung heute ist Schwachsinn und wird mit Weltoffenheit begründet, so dass es auch in jeder Kleinstadt schon einen Service-Point gibt, kaum noch Büros, sondern Office, Stylisten statt Modeschöpfer, weil wir alle unseren Body für den Way of Live coatchen lassen müssen. Ich fahre nie zu einer Fastfood-Kette wo mir im Drive in my Milkshake and Chicken-Wraps in my car gereicht wird. Dieses Neuanglodeutsch ist für jeden Germanisten eine Ohrenqual, aber oft ein bedeutender Teil des recht dürftigen Sprachschatzes junger Leute. Aber walisiche Fischer sollen ja im Alltag auch nur mit 500 Worte auskommen. Und dieses Neuanglodeutsch scheint in unserer engen Partnerschaft mit den USA auch politisch vor allem von einer grünen Transatlantik-Lobby gewollt. Ich glaube jedoch, dass sich diese Demutsgeste nicht auch noch unbedingt sprachlich niederschlagen muss.
Apropos gewollt, zum Angriff auf unsere Sprache haben auch halbgebildete Minderheiten mit dem Gendern geblasen, was zu einer kontroversen Diskussion führt. Von der Sprache einmal abgesehen, halte ich diese Verballhornung des Deutschen für eine willkommene Ablenkung einer Politikerkaste im grünen Gewand, um von den wirklichen Problemen im Lande, wie Preisexplosionen bei Lebensmitteln und Energie, dem Abbau der sozialen Leistungen des Staates, den Herausforderungen der Migration und der direkten oder indirekten Beteiligung an kriegerischen Konflikten in der Welt abzulenken. Weil diese Verhunzung der Sprache auch der Grammatik widerspricht und zudem in diktatorischer Art und Weise daherkommt, völlig sinnentfremdend ist, wird sie auch von der vereinten deutschen Literaturszene und nicht aus nationalistischen Gefühlen abgelehnt. Ich natürlich in all meinen 25 Büchern auch. Mit dem Gendern geht übrigens Deutschland unter allen deutschsprachigen Ländern einen einsamen wie fragwürdigen Sonderweg.
Und das ist ein weiterer wichtiger Akzent in der Sprachdebatte. Das Deutsche gehört der deutschen Sprachfamilie und zu der zählen weit mehr Menschen als in Luxemburg, Österreich, der Schweiz und Lichtenstein. Und gerade darum müssen wir sehr behutsam mit unserer gemeinsamen, Völker verbindenden Sprache und den Veränderungen umgehen. Meine Meinung und große Sorge um unsere Sprache heißt zugleich, dass sowohl die Redaktion des Dudens und erst recht nicht die Kultusministerkonferenz ausschließlich über die Veränderung einer Sprache entscheiden können, die uns allen gehört und uns enger verbindet, als irgendwelche diplomatisch ausgehandelten Verträge.
Karikatur: Autor beim nächtlichen Schreiben