Was verbindet eine Schiffstaufe mit der Sektsteuer?

 

Ich habe mit dem Militär nicht viel am Hut. Mir hat die vertane Zeit in Uniform gereicht. Ich kann und will auch nicht in das Kriegsgeheul unserer Politiker, besonders der Grünen und der CDU einstimmen, im Gegenteil, ich halte mir die Ohren zu und verzichte auf das offiziöse Propaganda-Fernsehen. Und ich stelle fest, wie wenig die jetzigen Politiker aus dem Zweiten Weltkrieg, der Zerschlagung des faschistischen "Tausendjährigen Reichs" und der Befreiung, für mich war es die Rote Armee, gelernt haben. Und ich wundere mich nicht, dass mein Journalistenkollege Kolja Iwanow aus Moskau mich jüngst fragte, ob die AfD wirklich eine Partei der Neonazis sei, denn sie sitzt doch im Parlament. Und ob unsere Regierung nicht wüsste in ihrer unbegrenzten Solidarität mit der Ukraine, dass dort Faschistenführer und Judenmörder wie Stepan Bandera und Roman Schuchewitsch als Helden verehrt und mit Denkmälern sowie Straßentaufen gewürdigt werden.

Als kluger, weltgewandter Mann, Iwanow war unter anderem auch in Deutschland Korrespondent, wundert er sich auch über unsere Chefdiplomatin, die doch öffentlich sagte, dass wir uns wieder im Krieg mit Russland befänden. Er hat den Eindruck, dass die Verbrechen des Naziregimes und ihrer Helfer in der Ukraine relativiert werden. Iwanow liebt unser Land, seine Kultur, besonders die klassischen Dichter wie viele Russen und fragt, ob es wieder so weit ist, dass sich das Volk der Dichter und Denker wirklich und wahrhaftig erneut in ein Abenteuer hineinziehen lässt, das es diesmal  nicht überleben wird. Warum werden Munition und Panzer für den Stellvertreterkrieg der NATO gegen Russland geliefert und ukrainische Soldaten für diesen Krieg in Deutschland ausgebildet? Warum sinnieren deutsche Generale in einem Telefonat über die Ausbildung an Taurus-Raketen und die Zerstörung der Krimbrücke? Und er fragte: Sollte der russische  Marschall Shukow etwa recht gehabt haben, als er sagte: "Wir haben sie vom Faschismus befreit, das werden sie uns nie verzeihen."?

Am 24. Juni 1945 nahm Marschall Shukow die Siegesparade in Moskau ab (Gemälde unbek. Maler)

Ich will jetzt nicht auf das Säbelrasseln von Pistorius, Strack-Zimmermann, Röttger oder Hofreiter und die Massendesinformation der Medien eingehen, sondern eine andere Sache hat mich nach dem Brief von Nikolai nachdenklich gemacht. Vor einiger Zeit wurde die Korvette "Emden" getauft, die in diesen Tagen ihre Jungfernfahrt machen soll. Das Schiff erhielt, worauf die Marine stolz ist, diesen "Traditionsnamen". Der Oberbürgermeister der Patenstadt, Tim Kruithoff, klang wie schon irgendwann gehört: „Die ‚Emden‘ verkörpert die Stärke und den Mut unserer Marine.“ Kein Wunder, der Name der ostfriesischen Stadt stand unter anderem bereits Pate für zwei kleine Kreuzer der Kaiserlichen Marine und einen leichten Kreuzer der faschistischen Reichsmarine.

Die Taufpatin des neuen Schiffs war Annette Lehnigk-Emden, seit fast einem Jahr Präsidentin des Bundesamtes für Ausrüstung, Informationstechnik Nutzung der Bundeswehr. Und sie sagte doch tatsächlich, dass sie stolz wäre, das Kriegsschiff auf den Namen "Emden"  zu taufen, weil ihr Großvater zur Besatzung der „SMS Emden (I)“ gehört hatte. Der kleine Kreuzer der Kaiserlichen Marine hatte zu Beginn des Ersten Weltkriegs eine "erfolgreiche" Kaperfahrt im Indischen Ozean unternommen, 2 Kriegsschiffe und 23 unbewaffnete Handelsschiffe samt hunderten Matrosen auf den Meeresboden geschickt. Aber sein Ende war ruhmlos, denn die "Emden" wurde schon im November 1914 vom Kreuzer "Sydney" der Royal Australian Navy zerstört.

Das Ende der "legendären" SMS Emden

Wie Frau Lehnigk-Emden seliger Großpapa und die ganze Besatzung hatten sie als Erinnerung an die "Leistungen" des Kreuzers vom Kaiser persönlich die Erlaubnis erhalten, den Zusatz „Emden“ ihrem Familiennamen beizufügen. Und darauf ist also diese Enkelin stolz. Mir dreht sich der Magen um. Kann irgend ein normal denkender Mensch Stolz verspüren für eine zweifelhafte "Heldentat" im imperialistischen Krieg mit Millionen Opfern, einer Katastrophe für die Welt und ebenso stolz für den vom Kaiser verliehenen Namen? Ist das die Traditionspflege in der bundesdeutschen Marine? Ich meine, wenn die 62jährige Charakter hätte, würde sie längst auf das Anhängsel an ihrem Namen verzichten, wie die Bundesregierung auf die Sektsteuer. Was aber hat eine Schiffstaufe nun mit dem perlenden Getränk zu tun?

Die noch heute gültige Sektsteuer wurde von Wilhelm II. verlangt und vom Reichstag 1902 zur Finanzierung der Kaiserlichen Kriegsflotte beschlossen. Schließlich kostete "SMS Emden" fast 6 Millionen Reichsmark, was umgerechnet heute etwa 49 Millionen Euro wären. Nun, die Kriegsflotte ging ebenso wie das Kaiserreich unter, doch die Schaumweinsteuer hat bis heute überlebt, 1,02 € für die Flasche Sekt und 3,99 € für die Bouteille Champagner. Überlebt, wie vielleicht die Betrübnis über eine Niederlage des deutschen Großmachtstrebens nach einem mörderischen Ersten Weltkrieg, der allein in den ersten sechs Monaten unter den Seeleuten von Deutschland, Großbritannien und Frankreich über 100.000 Opfer forderte. Und die deutschen Hilfskreuzer und leichten Kreuzer wie die "SMS Emden" versenkten 110 zumeist Handelsschiffe auf ihren Kaperfahrten. Da war kaiserlicher Dank gewiss.

Der Befehlshaber der bundesdeutschen Flotte, Vizeadmiral Frank Lenski sagte anlässlich der Taufe: „Unsere Korvetten waren ursprünglich konzipiert als ‚Warfighter‘ (Kriegskämpfer) in den Randmeeren“, so der Admiral. „Ihr vorgesehener Einsatzraum wird heute wieder in der Hauptsache die Nordflanke des Bündnisgebietes werden". Also als Kriegskämpfer gegen die russische Marine, dem potentiellen Gegner der NATO in diesem Seegebiet. Nur Kriegsmanöver zur Verteidigung einer regelbasierten Weltordnung? Gibt es gibt in Politik und Bundeswehr Gedankenspiele, in denen davon geträumt wird, dass die "Emden" als echter Warfighter durch die Meere gen Osten pflügt? Es scheint wohl so. 

Deutsche Offiziere der Luftwaffe wollen Deutschland in einen Krieg gegen Russland hineinzeihen, indem sie einen möglichen Angriff auf die Krimbrücke planen. Haben denn diese angeblich so intelligenten Führungsspitzen der Bundeswehrüberhaupt kein Bewusstsein für die enorme Gefahr für Europa, die in der Situation liegt, in der wir uns befinden? Die russische Reaktion lässt keinen Zweifel übrig. Aber unsere Medien und die Regierung entrüsten sich nicht darüber, was für eine Ungeheuerlichkeit in dem gedanklichen Kriegsspiel liegt, sondern nur, dass das Gespräch gehackt worden ist. 

Was soll ich da bloß dem lieben Nikolai als Antwort antworten?

 Fotos: Privat, Archive

 

 

 

 

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