Was geht uns der Welterbetag an?

Nun auf den ersten, lokalen Blick wenig, denn der von der UNESCO ausgerufenen 2. Juni, der dem Schutz und Erleben des Welterbes gewidmet ist, hat hohe Ansprüche. Zum Welterbe in Deutschland gehören zum Beispiel das Wattenmeer, der Kölner Dom und der Fürst Pückler Landschaftspark in Bad Muskau. Und da das Motto des Tages ist: "Vielfalt entdecken und erleben", kam mir der Gedanke, dass auch wir so ein, wenn auch bescheidenes, Kleinod haben, den Schloss- oder Lenné-Park in Blumberg. Ja, auch wenn es vielleicht noch ein dutzend Parks in Deutschland gibt, die die Handschrift Lenné's tragen, so ist unser einer der wenigen, die wieder weitgehend, so wie es möglich ist, dem Original entspricht. 
Und dass das so ist, verdanken wir in großem Maße dem Diplomgärtner Siegfried Jochen Wünsche. Ja, der einstige Bürgermeister von Blumberg, ein sympathischer Sturkopf, ein aufbrausender wie kenntnisreicher Gesprächspartner, ein kluger Widerspruchsgeist, wenn es um den Park, den Erhalt des Naturdenkmals oder die verlorenen Sichtachsen zum Dorf geht. Wünsche ist der grüngrünste Grüne den ich kenne. Und niemand, der einen Rat für seinen Garten braucht, wird bestreiten, dass er wahrlich einen grünen Daumen hat. Und sie sollten ihn einmal erleben, wie er in aller Hergottsfrühe auf einer Vogelstimmenwanderung uns die Sprache seiner gefiederten Parkbewohner übersetzt, denn das kann er auch. 

Der Blumberger Schlosspark im Herbst

Der Blumberger, der für sein Engagement für den Schlosspark mit hohen Landesehren, ja man kann schon sagen, für ein Lebenswerk bedacht, würde ein würdevoller Ehrenbürger von Ahrensfelde sein, wenn Kleingeister und Bürgermeister Gehrke ihre Vorurteile überwinden und zwischen Leistung und Charakter unterscheiden könnten. 
Nun noch eine Geschichte um ein echtes Welterbe, die Moskauer Basilius-Kathedrale. Shyli byli - es war einmal, so fangen auch in Russland alle alten Geschichten an. Es war vor rund 444 Jahren, da lebte hier auf dem schönen Platz zwischen dem bunten Markttreiben vor dem Kremlpalast der Narr Wassili. Er soll, so wurde hinter vorgehaltener Hand erzählt, denn es konnte den Kopf kosten, ein ungeliebtes, weil stummes und verwachsenes Kind aus der Zarenfamilie gewesen sein. Der Zar befahl, diesen kleinen Wurm einfach in der Moskwa zu ersäufen, wie einen jungen Hund. Doch die Amme, die die Zarensöhne nährte und keine eigenen Kinder haben durfte, hatte ein gutes Herz. Sie versteckte den stummen Wassja in ihrer Kammer. Als sie viele Jahre später starb, warf man den unnützen Esser aus dem Kreml direkt auf den Markt. 
Wassja war freundlich und genügsam, so eine Art Glücksbringer für die Kaufleute. Sie streichelten ihm den Buckel und gaben ihm zu essen. Er blies seltsame Melodien auf seiner selbst geschnitzten Flöte. Eigentlich war er zu nichts zu gebrauchen, doch als er gestorben war, fehlten dem Marktvolk seine lustigen Grimassen und Tänze. Sie bestatteten ihn mitten auf einer kleinen Wiese neben den Handelsreihen. Und selbst die größten Geizhälse legten zusammen, um über seinem Grab ein winziges, hölzernes Kirchlein zu bauen.

Iwan IV. - Zeitgenössischer Druck

Zar Iwan IV. ließ von 1555 bis 1561 zum Gedenken an den Anschluss der bis dahin von den Tataren beherrschten Chanate Kasan und Astrachan an Russland neben diesem Balkenbau eine prächtige Kathedrale errichten, die Pokrowski Sobor. Das kleine Holzkirchlein verfiel, das buntgeschmückte, steinerne Prunkbauwerk hingegen steht noch heute voller Anmut. Und wie das Leben so spielt, war es den Moskauern einfach zu mühselig, die 'Kathedrale zu Mariä Schutz und Fürbitte zur seligen Heimkehr von Astrachan und Kasan in den heiligen Schoß der russischen Kirche' beim vollen Namen zu nennen. Sie nannten sie nach dem buckligen, stummen Flötenspieler und Narren Basilius-Kathedrale, Chram Wassilija Blashennowo, Kirche des Erleuchteten Wassili. 

Die Moskauer Basiliuskathedrale auch Pokrowski Sobor genannt

Sie ist sicher die wunderbarste Schöpfung russischer Baukunst. Über dreihundert Jahre kannte niemand die Namen der genialen Erbauer der Pokrowski Sobor. Um so größer waren die Spekulationen. Persische Steinmetze hätten diese wunderbare Schöpfung geschaffen. Es waren die Engel selbst, hieß es in alten Kirchenchroniken. Erst 1896 fand man in historischen Handschriften auf Birkenrinde Hinweise auf die russischen Meister Postnik und Barma.
Und über die Kathedrale erzählt man im Volk noch eine weitere Legende, die aber kaum wahr sein dürfte. Der gestrenge Iwan Grosny war mit dem Werk der Meister hoch zufrieden und fragte die Erbauer, ob sie so etwas Schönes oder etwas Gleichartiges noch einmal schaffen könnten. Selbstbewusst und prahlerisch bejahten die Bauleute diese Frage, denn sie erhofften sich einen neuen Auftrag des Zaren. Der jedoch ließ sie blenden, damit es nirgends in der Welt und zu keiner Zeit etwas Herrlicheres als die Basilius-Kathedrale geben sollte. Aber so dumm war Iwan, genannt auch der Schreckliche sicher nicht, der Meister ihres Faches zu seinem und Russlands Ruhm beschäftigte. 

Fotos: Autor, Stich: Privatarchiv Hartmut Moreike  


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