Am Verhaltenskodex scheiden sich die Geister (I)
Im Hauptausschuss am 4. Oktober hat Frau Freitag (BVB/Freie Wähler Ahrensfelde) noch einmal den Antrag begründet, weil sie selbst im Kreis keine befriedigende Auskunft bekam, wie weit das Mitwirkungsverbot geht. Unverständnis bis Beleidígtsein in der Runde. Frau Emmrich (Linke) meinte, sich immer an die Kommunalverfassung (KV) gehalten zu haben. Frau Hübner (CDU - Vorsitzende der Gemeindevertretung) war entrüstet, weil sie das erste Mal mit so einer Forderung konfrontiert war. Sie sieht den Weg absurd an, weil sie allen GV-Mitgliedern zutraut, dass keine persönlichen Vorteile vorhanden sind und sie sich bei Befangenheit der Abstimmung enthalten. Mit der großen Diskussion mache man „den Bock zum Gärtner“. Herr Meuschke (CDU - Ortsvorsteher Lindenberg) erinnerte an die Belehrung, das Amt nach bestem Wissen und Gewissen und ohne Vorteilsnahme auszuüben. Treten Fragen oder Probleme auf, sind jederzeit die Juristen da. Kommunalrechtlich sei alles abgesichert.
Herr Joachim (Ahrensfelder Wählergemeinschaft - Ortsvorsteher Ahrensfelde) sei seit 26 Jahren Gemeindevertreter und hatte kein einziges Mal Vorteile. Selbständig Tätige können nicht generell von der Wahl ausgeschlossen werden. Er sieht keinen Sinn in einer solchen Satzung, die Kommunalverfassung muss reichen. Er kennt keine Gemeinde, die Compliance-Regeln hat. Herr Länger (AfD) sah keinen Handlungsbedarf, da in der KV klare Handlungsvorgaben und alles festgelegt ist, was gebraucht wird. Frau Schenderlein (Grüne) störte am "inhaltslosen" Antrag, dass keine konkreten Vorschläge gemacht wurden. Aber hieß es nicht es im Antrag klar und deutlich, dass die Fraktionen diese Regeln gemeinsam erarbeiten sollten? War das Bosheit oder Leseschwäche?
Auch Herr Kusch schlug in die gleiche Kerbe und fragte mehrmals, welchen Vorschlag die Fraktion inhaltlich machen möchte, ob z.B. eine Satzung beschlossen, eine Richtlinie verabschiedet oder eine Erklärung unterzeichnet werden soll? Das sollte ja eben im Gremium diskutiert werden, antwortete Frau Freitag ein wenig genervt. Aber offensichtlich hatte sich Herr Kusch gut vorbereitet, waren seine Fragen nur rhetorisch. Denn er hatte schon an einen "Ehrenkodexes" gedacht, der über den festgelegten Gesetzestext der Kommunalverfassung hinausging. Und so schüttete er sogleich eigene inhaltliche Vorschläge zur Überraschung vieler und zum Verdruss einiger scheinbar aus dem Ärmel:
"Als Gemeindevertreter arbeite ich mit den übrigen Mitgliedern der Gemeindevertretung grundsätzlich vertrauensvoll zusammen.
Als Gemeindevertreter stärke ich durch mein Verhalten in Ausschüssen, Ortsbeiräten und Sitzungen der Gemeindevertretung das Vertrauen der Bevölkerung in demokratische Prozesse und die hier getroffenen Entscheidungen.
Als Gemeindevertreter beteilige ich mich nicht an haltlosen Verdächtigungen, Spekulationen und Mutmaßungen.
Als Gemeindevertreter bekenne ich mich jederzeit zur freiheitlich demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland und trete innerhalb und außerhalb meiner Mandatsausübung aktiv gegen Bestrebungen ein, die sich gegen diese Ordnung richten. Dies schließt ausdrücklich das Bekenntnis zu Artikel 20 unseres Grundgesetzes ein, in dem unser Staatswesen auf die repräsentative Demokratie festgelegt worden ist."
Wow, da hatte sich einer aber vorbereitet. Nach diesen fast staatsmännischen Ausführungen blieb auch dem stellvertretenden Bürgermeister Knop nur übrig, noch einmal auf die Kommunalverfassung, die Hauptsatzung der Gemeinde und die Geschäftsordnung hinzuweisen. Mit dem Tenor, das doch alles schon geregelt sei, oder wie war es zu verstehen?
Nun musste über den Beschlussantrag abgestimmte werden: Die Gemeindevertretung der Gemeinde Ahrensfelde beschließt, dass die Gemeindevertretung innerhalb der kommenden zwei Monate Compliance-Regeln auf Grundlage der Kommunalverfassung erarbeitet und beschließt, welche präventiv Interessenkonflikte von Mitgliedern der Gemeindevertretung verhindern und das Vertrauen der politischen Entscheidungsträger nach außen stärken sollen.
Von den acht anwesenden Mitgliedern des Hauptausschusses stimmten 7 (sieben) gegen diesen Antrag, Frau Freitag war die eine Ja-Stimme.
Ein klares Ergebnis, der Verhaltenskodex war vom Tisch. Die Opponenten atmeten sichtbar erleichtert auf. Doch zu früh gefreut, denn damit war die Sache, wie man zunächst glauben könnte, noch nicht aus der Welt. Wie es weiter ging, mit dem Drama, dem Trauerspiel oder der Komödie im nächsten Blog-Beitrag am 4.11. "Am Verhaltenskodex scheiden sich noch immer die Geister (II)", sachlich, kritisch und optimistisch wie immer.
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