Das selbst ernannte Präsidium - oder wer leitet die Gemeindevertretung?

Als regelmäßiger Besucher der Beratungen der Gemeindevertretung, das entspringt ebenso meinem Interesse als auch meinem gesellschaftlichen Engagement, habe ich schon oft die Sitzordnung im Saal bemängelt. Die Zuschauer, also wir Bürger, sitzen in gehörigem Abstand zu den Abgeordneten, oft in der Abstellkammer für die Stühle im Saal. Dass es anders ginge, also die Tische der Gemeindevertreter quer stünden, um weniger Platz zu gebrauchen, ist die eine Sache. Aber auffällig, besonders auch für Besucher aus anderen Gemeinden, ist das sogenannte Präsidium.

Dass der Bürgermeister neben dem Vorsitzenden der Gemeindevertretung sitzt, ist verständlich. Beide sind gemeinsam für Vieles verantwortlich. Und der Bürgermeister trägt ja auch für die Umsetzung der Beschlüsse der Gemeindevertretung die Verantwortung. Im Rathaus ist er der Chef, oder wie es im Amtsdeutsch heißt, Hauptverwaltungsbeamter. Aber, sein Dienstvorgesetzter ist nicht etwa der Landrat oder ein noch höherer Beamter, sondern: "In Brandenburg ist die Gemeindevertretung Dienstvorgesetzte des hauptamtlichen Bürgermeisters (§ 72 Abs. 2 Satz 1 GO ".) 

Neben dem Bürgermeister nehmen oft mit einer an Machtdemonstration erinnernden Selbstverständlichkeit auch seine Stellvertreter oder sonstige Mitglieder der Verwaltung, also Gemeindebedienteste, Platz. Ihre Mienen spiegeln nach meinen Beobachtungen so manches Mal Gleichgültigkeit und vielleicht auch arrogantes Überlegenheitsgefühl wider. Als Gefolge des Bürgermeisters um seine Autorität zu untermauern? Bringt er sie mit, weil er in Fachfragen überfragt ist oder nicht antworten kann? Soll das Publikum erstarren vor Ehrfurcht und Dankbarkeit, was für kluge Leute, oft Rechtsanwälte, wir haben oder soll es eingeschüchtert werden?

Wie dem auch immer sei, der Eindruck aller, die die Wichtigkeit von Präsidien in ihrem Leben erfahren haben, ist der, dass alle neben dem Vorsitzenden wichtig und an ihrem Platz richtig sind. Und das ist falsch. Präsidium heißt aus dem Lateinischen abgeleitet: Die Leitung der Sitzung. Aber die Verwaltungsmitarbeiter haben mit der Leitung der Beratung ebenso wenig zu tun wie die zuhörenden Bürger. Die Verwaltungsmitarbeiter können nur vom Vorsitzenden der Gemeindevertretung geladen werden. Und solange die CDU den Vorsitz hatte und auch der Bürgermeister dieser Partei angehört, gab es da natürlich keine Frage. Aber ist es nicht so, dass nur der Vorsitzende der Gemeindevertretung zu den entsprechenden Punkten der Tagesordnung Investoren, Spezialisten und auch Verwaltungsmitarbeiter laden kann? Aber doch nicht an den Tisch der Sitzungsleitung!  Und ehe wieder jemand mit Spitzfindigkeiten kommt; natürlich ist bei Haushaltsangelegenheiten der Kämmerer geladen. Von einer Entourage des  Bürgermeisters kein Wort.

Apropos Wort. Ein anderes Thema: Die Gemeindevertreter haben drei Minuten Redezeit in der Diskussion, also auch der Bürgermeister. Übrigens die Einwohner in ihrer Fragestunde auch. Dann wäre es nur ein Zeichen der Achtung vor uns Bürgern, wenn die Antworten auf Bürgerfragen, auch vom Bürgermeister, auf diese Zeitspanne begrenzt sind, denn alles andere würde den anwesenden Zuhörern ihre Zeit zum Fragen in der Einwohnerfragestunde, die ohnehin auf nur 30 Minuten begrenzt ist, stehlen. Ja Leute, als oft Fragender und Anregender, die 30 Minuten reichen meistens auch aus und werden zumeist nicht ausgeschöpft. Warum nicht?

Natürlich hat der Bürgermeister auch mehr Rechte und Pflichten, als andere Abgeordnete der Gemeindevertretung. Nach der Geschäftsordnung § 1(3) bestimmt er erstens gemeinsam mit dem Vorsitzenden der Gemeindevertretung die Tagesordnung der Sitzungen des Gremiums. Nach § 9 (4) ist ihm zweitens jederzeit das Wort zu erteilen und nach § 13 (1) ist er drittens verantwortlich für das Protokoll. Also streng genommen nicht nur dass protokolliert wird, sondern auch dass sachlich richtig protokolliert wird. Ich habe das schon einmal böse anders erlebt. Seitdem gebe ich wichtige Fragen oder Statements schriftlich zu Protokoll. Aber dazu hatte ich ja den Blog "Niederschrift - Niedertracht? geschrieben.

Auch die Sitzordnung der Gemeindevertreter und der zuhörenden Bürger bedarf einer Änderung. Erstens, dass sie sich sehen, aber auch die zuhörenden Bürger und ins Gesicht schauen können und zweitens, dass sie nicht einen demonstrativen Abstand zueinander haben. So als hätten die Bürger die offene TBC oder etwas Schlimmeres. Nähe zum Wahlvolk auch optisch hat auch etwas mit direkter Demokratie zu tun. 

Langer Rede kurzer Sinn, die Mitarbeiter der Verwaltung sind keine Mitglieder der Gemeindevertretung, es sei, sie vertreten den Bürgermeister. Sie gehören weder ins Präsidium noch haben sie Rederecht, das ihnen der Bürgermeister auch nicht erteilen darf. Erstaunlich, dass das die Gemeindevertreter seit Jahren dulden. Es geht mir hier nicht um Erbsenzählerei, sondern um die Autorität der Gemeindevertretung und die Achtung vor den Einwohnern, zu denen auch ich gehöre. Das ist meine auf unsere Kommunalverfassung fußende Meinung, sachlich, kritisch und optimistisch wie immer.

 Fotos/Fotografik: Autor

 


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