Gibt es in der Gemeinde Korruption?
Aber ja doch! Auch wenn nun gleich wieder Zeter und Mordio geschrien wird von unseren Gemeindevertretern und oben im Rathaus. Schließlich heißt es doch in dem jüngst mit jämmerlichen zwölf Ja-Stimmen verabschiedeten Verhaltenskodex: "Maßnahmen, die der gemeindlichen Korruptionsprävention und der Förderung ethischer Standards dienen, stehen wir aufgeschlossen gegenüber." Erstens wäre besser, wenn bildlich nicht gegenüber gestanden wird, sondern alles getan wird, schon Ansätze zu verhindern, kleine Gefälligkeiten, moralische und tatsächliche Abhängigkeiten oder Fürsprachen bei Bauprojekten, etwa wenn Neutralität verlangt wird. Und da wunderte ich mich zweitens, ob das ernst gemeint ist mit der Korruptionsprävention. Warum hat man mit transparency/ahrensfelde nicht zusammengearbeitet, sondern allein die Unterzeichner eines offenen Briefes, die ihr demokratisches Recht in Anspruch nahmen, öffentlich gebrandmarkt und bekämpft? Das ist kein Kavaliersdelikt mehr.
Es liegt in der Natur der Sache, dass in den Jahren und Jahrzehnten familiäre und nachbarschaftliche Verbindlich- und Gefälligkeiten in den Dörfern an der Tagesordnung waren, die niemand als korrupt empfand, obwohl sie es waren und ausuferten. Das muss aber nicht so weiter gehen. Sprüche haben wir dazu schon oft und immer wieder gehört, aber entsprechendes Handeln um diese "Gewohnheiten" ernsthaft abzustellen, fehlte. Vielleicht mit dem Gedanken, das ist eben Gewohnheitsrecht oder die Ahrensfelder werden das schon durch alltägliche Sorgen und Ablenkungen vergessen. Wenig Empathie, kaum Scham gegenüber den Einwohnern und ein langjähriges Gefühl der Anspruchsberechtigung, oft Normen und moralische Standards zu negieren, das schien mir hier Verwaltungsalltag und Praxis in kommunalpolitischen Gremien zu sein. Aus diesem Grunde habe ich auch aus ehrlicher Sorge diesen Blog gestartet, um die Erinnerung an Versprechen, Beschlüsse und auch Versagen wach zu halten, unsere Gemeindevertreter und Spitzen der Verwaltung beim Wort zu nehmen, Korruption in welcher Form auch immer aufzudecken, Taten und Reden mit- und gegeneinander abzuwägen.
Und gibt es nun Korruption bei uns? Bitte schalten Sie ihre Emotionen aus und den Verstand ein. Wenn ich das klar behaupte, wage ich mich da nicht ins Strafbare? Nein, wenn ich einmal als Germanist der Sache auf den Grund gehen darf. Der Ausdruck "korrupt" geht auf das Lateinische "corruptio" zurück. Und da es mehrere Bedeutungen hat, will ich sie hier anführen. Corruptio ist zu übersetzen mit "verdorben", "bestochen", "verkehrt", "wenig vertrauensvoll" und "sittenlos". Ist Korruption eine Krake, die alles umschlingt? Na ja. Korruption ist so alt wie die Menschen auf dieser Welt. Schon im Zweiten Buch Mose 23,8 heißt es: "Du sollst dich nicht durch Geschenke bestechen lassen; denn Geschenke machen die Sehenden blind und verdrehen die Sache derer, die im Recht sind." Heute wird dieser Begriff fast nur noch in der Wirtschaft und in der Politik angewendet. Aber Korruption hat viele Gesichter.
Und wenn ich sage, dass hier etwas in der Gemeinde verkehrt läuft mit dem ausuferndem Siedlungsbau auf Kosten der Ahrensfelder und der Natur, so ist das auch streng und wörtlich genommen korrupt. Gar nicht nachzufragen, wessen Interessen mehr wiegen, die der Bevölkerung, und seien es nur einige Tausend, oder die des Investors mit Profitstreben. Und wenn sich Fraktionsbündnisse aus taktischem Kalkül bilden, die den Wählerwillen verfälschen, so ist das in meine Augen sittenlos. Genau so sittenlos ist es meiner Meinung nach, wenn abgelehnte Vorschläge in neuem Gewand als eigene Idee präsentiert werden. Verkehrt, ja undemokratisch läuft auch etwas in der Gemeindevertretung seit Jahren, wenn gegen durchdachte, vernünftige Vorschläge eine peinliche Allianz in der Art einer Brandmauer gebildet wird, nur weil sie von der bürgernahen Opposition kommen. Berechtigte Beschwerden von Anwohnern über Verstöße gegen das Bundesemissionsgesetz, Festlegungen von Bauplänen und Schallgutachten vom Verein Grün-Weiß durch die Verwaltung lange zu tolerieren, ist das nicht amoralisch. Verdirbt das nicht das Klima in der Gemeinde, wenn Umfrageentscheidungen durch den zur Neutralität verpflichteten Bürgermeister vorab beeinflusst werden sollen und das Ergebnis dann ohne Diskussion oder Nachdenken darüber in den Aktenvernichter landet, weil es nicht den Gemeindevertretern passt? Wie wenig vertrauenswürdig sind Abgeordnete, die Pläne und Vorgaben für Bauprojekte nach dem Gusto der Investoren oder mit ihnen im Tête-à-Tête erarbeiten? Ist das streng genommen nach des Wortes grundsätzlicher Bedeutung korrupt? Oder wie ist denn das? Da steht über den Kopf des Ortsbeirates Lindenberg, der nach der Kommunalverfassung zu befragen ist, in der Gemeindevertretung ein Interimsstandort für ein neues Container-Gymnasium auf der Tagesordnung. Das ist verdorben, wenn nicht einmal Respekt vor der Brandenburger Kommunalverfassung gezeigt wird. Das hat die Kommunalaufsicht wohl auch so gesehen. Oder weiter, wenn im gleichen Ort die Wahl des Ortsvorstehers so verschoben wird, bis wieder der erwünschte CDU-Kandidat mit den Stimmen der SPD und AfD gewählt wird. Postenschieberei ist sittenlos in der demokratischen Selbstverwaltung einer Gemeinde.
Und ist es nicht zumindest verkehrt oder gar wenig vertrauenswürdig, wenn sich Bürgermeister Wilfried Gehrke nach der Bestätigung des Haushalts 2022 durch die Abgeordneten selbst entlastet? Ist
es nicht auch ein recht schmaler Grad zwischen Wohltaten und Bestechen, wenn die evangelische Kirche
gegen die Mehrheit der Anwohner ein Wohngebiet auf einem Biotop entwickeln will
und dafür der Gemeinde eine Kita baut? Jedenfalls könnte es so gesehen werden. "Will er einen Gourmet bestechen, versenkt der Koch ein goldenes Haar in der Suppe." (Aus dem Französischen). Und machen sich Sponsoren für einen Sportverein nicht zu Lobbyisten, wenn sie möglicherweise
Stimmverhalten von aktiven und ehemaligen Mitgliedern des Vereins in der Gemeindevertretung über die
Art und Weise der Investition für Container beeinflussen?
Ist Lobbyismus nicht auch schleichende Korruption? Na aber sicher. In Brüssel und Berlin geben sich mehr Lobbyisten die Klinke der Parlamente in die Hand als Abgeordnete. Die Korruption hat viele Gesichter, fängt
im ganz Kleinen unscheinbar an. Und immer mehr Ahrensfelder, ja auch die Zugezogenen, die niemandem verpflichtet sind, haben ein sehr feines Gefühl dafür. Also ohne
Schnapp-Atmung, es liegt an jedem Gemeindevertreter selbst, welche moralischen
Maßstäbe er sich persönlich setzt. Das kann weder die Brandenburger Kommunalverfassung regeln und auch kein noch so gut gemeinter Verhaltenskodex.
Das, liebe Leute, ist vielleicht Wortspielerei, aber mit einem bitterernsten Hintergrund. Ich
wünsche mir ein transparentes, desinformationsloses und korruptionsfreies jederzeit sauberes Ahrensfelde, auch wenn das
ein frommer Wunsch ist. Aber wünschen ist doch noch erlaubt, sachlich, kritisch und optimistisch wie immer.
Fotos: Autor, Archiv Moreike