Warum ich male - und auch im Rathaus schon dreimal ausstellte

 

Immer wieder höre ich, wer ist dieser alte Knabe mit dem Blog und wie tickt er? Wer das wirklich wissen will, muss sich meine Bilder ansehen und meine Bücher lesen. Das bin ich! Ich male. Und warum? Ich könnte es mir einfach machen und sagen, weil ich es muss. Aber das ist Blödsinn. Dennoch muss ich bekennen, dass eine weiße Leinwand einen unbezähmbaren Reiz ausübt, diesen Zustand zu verändern, ohne genau zu wissen, was daraus entstehen könnte. Wirklich, höchstens ob es eine Landschaft werden könnte oder ein weiblicher Akt, das schwebt mir schon vor. 
Ich bin ein absoluter Autodidakt. Und ich gebe zu, dass Malen für mich eine Art Selbsttherapie, ein inneres Bedürfnis ist, Ausgleich zu meinem literarischen Schaffen. Und in jedem von uns gibt es von klein auf den Reiz, mit Farben etwas zu machen. Das bekommen wir schon in die Wiege gelegt. Wenn wir das erste Mal unsere Augen öffnen, erblicken wir Farben. Erst verschwommen vielleicht, doch dann immer klarer und immer mehr, ohne zu wissen, dass das Farben sind, sondern eher eine Wunderwelt.

Dann wird uns beigebracht, wie sie heißen und wir beschmieren die Tapeten, manchmal ist das Echo weniger erfreulich und es gibt auch Momente, da meist die Mütter darin lesen zu glauben, dass der Junge oder das Mädchen Talent habe. Nun, es gibt ja auch Schimpansen, Elefanten und Schweine, denen ein Pinsel mit Farbe gereicht wird und die darauf los pinseln, was als Gemälde sogar ausgestellt und für Unsummen von vermeintlichen Kunstkennern gekauft wird. 

Und ich muss gestehen, dass mir diese tierischen Meisterwerke oft besser gefallen, als die modernen Schöpfungen akademisch ausgebildeter Maler. Übrigens hast einmal eine Putzfrau in der Moskauer Tretjakow-Galerie einen Eimer mit Schrubber und Wischlappen vergessen und sogenannte Kunstliebhaber haben dieses moderne Kunstwerk achtungsvoll bewundert.

Aber ich schweife ab. In der Schule hatte ich Spaß am Zeichnen, so dass meine zerknüllten Versuche von nicht ganz so talentierten Mitschülern aus dem Papierkorb gerettet und geplättet wurden, was ihnen immer noch eine achtbare Note einbrachte. Bei einem Besuch der Talentsucher aus Meißen, die Schüler für ihre Manufaktur suchten, betrachteten  sie aufmerksam meine Zeichenmappe und besonders einen Habicht. Meine Lehre in Meißen scheiterte nur daran, dass sie Linkshänder suchten und das Schreiben oder auch Zeichen mit der linken Hand hatte man mir gründlich mit Schlägen auf die Fingernägel mit dem Rohrstock in der zweiten und dritten Klasse ausgetrieben. 

Im Haus der jungen Talente in Berlin besuchte ich einen Zirkel, wo uns ein Maler mit den verschiedensten Techniken der bildenden Kunst vertraut machte. Und ich bekam mit zwölf und dreizehn Jahren zwei Auszeichnungen "Für bildnerisches Volksschaffen", eine für eine Thälmannbüste aus Ton und eine für einen Linolschnitt von New Yorks Wolkenkratzer, die ich nie gesehen hatte. Später habe mein ersten künstlerischen  Erfolg aus der Erinnerung als Ölbild gemalt.

"City-Brigde" - Öl auf Leinwand - 2017 - Hartmut Moreike - im eigenen Besitz

Vielleicht waren es die grauschwarzen Berliner Ruinen, die in mir unbewusst die Sehnsucht nach Harmonie und Farben weckten. Jedenfalls so ermutigt durch kleine Erfolge und die Bewunderung meiner Tanten und meines Opas, stand so mein Berufswunsch unerschütterlich fest. Ich werde Maler, Kunstmaler und nicht Anstreicher. Aber ein Ereignis holte mich schnell aus dem 7. Himmel zurück auf die Erde.

Da mein Interesse an der bildenden Kunst wie auch bescheidene Erfolge nicht unentdeckt blieben, erhielt ich die Möglichkeit, an der Eröffnung einer Ausstellung über die  500 geretteten und wieder aus Moskau heimgebrachten Gemälde der Dresdner Galerie teilzunehmen. Ich dachte Bilder, schön und gut, kann man sich ja einmal ansehen. Da mich die Reden nicht sehr interessierten, schlenderte ich durch die Säle und sah mir die Schinken an. Eine Madonna war sehr schön, aber die kleinen Engel sahen eher aus wie Bengel, so verdrehten die nackten Racker die Augen. Dann gefiel mir das Bild Schokoladenmädchen. Sie war so hübsch und ich hätte gern gewusst, was aus ihr geworden war. Schokolade hatte ich auch noch nie getrunken, nur Fliegerschokolade hatte ich schon gegessen. Bei der Briefleserin am Fenster wäre interessant, was im Brief stand, vielleicht ein Liebesbrief?

Und dann sah ich ein Bild, das mich in Verwirrung stürzte. Eine nackte Frau lag in einer Landschaft und ein paar ältere Frauen sagten so etwas wie schamlos. Als gerade keiner da war, ging ich näher und las "Schlummernde Venus" von Titzian und Giorgione. 

Mein Gott sie war wirklich bildschön. Ich hatte noch nie eine so formvollendete nackte Frau, ja nicht einmal ein nacktes Mädchen gesehen. Eigentlich hatte ich noch nie eine nackte Frau gesehen. Leute vor dem Bild erzählten, dass das die Göttin Venus darstellen würde, aber in Wirklichkeit die Geliebte des Malers war. Ich sah mir noch andere Gemälde an und als ich aus der Galerie kam, war mein Traum vom Maler verflogen. Denn ich wusste, besser oder überhaupt so gut und eindrucksvoll würde ich nie in meinem Leben malen können und wenn ich hundert würde.

Doch hier in Ahrensfelde, nun nach einem unruhigen Leben als Journalist und Reporter durch Europa und Asien reisend, entdeckte er mit Erstaunen, dass die Torheiten meiner Jugend, Träume und Sehnsüchte wiederkehrten. In meiner Barnimer neuen Heimat fand ich die Natur, die sich in Kopf und Seele festgesetzt und als farbenfrohe Landschaften in Ölbildern festgehalten wurden. So entstanden bis heute etwa 150 Landschaften für den Barnim-Zyklus. Hunderte Illustrationen für meine Bücher in chinesischer Tusch, Rötel und Grafit sowie Studien des weiblichen Körpers, Skizzen, Akte und Stillleben. 

"Köpeniker Venus" - Öl auf MDF - 2007 - Hartmut Moreike - Eigenbesitz

Auch meine kleine Köpenicker Venus gehörte dazu, die wie viele andere Bilder in zahlreichen Ausstellungen in Berlin und Brandenburg, ja selbst im Potsdamer Landtag interessierte Zuschauer, huldvolle Kritiker und so manchen Käufer fanden. 

Inzwischen habe ich unzählige Museen und Ausstellungen in der halben Welt gesehen. Von der Höhlenmalerei der Steinzeitmenschen bis zu Werken des Surrealismus. Ich versuche stets hinter die Motive der Maler zu kommen und forsche nach, was die Bilder in mir als Betrachter auslösen. Und sie alle festigten meine Erkenntnis: Ja, die Welt ist unendlich wie die Fantasie! Und so male ich, leitete die AG Kunst bei Docemus, zeichne mit dem Mädchen und Jungen der Kita Spielhaus in Blumberg und male weiter, immer weiter, aber dabei weniger sachlich, kritisch und optimistisch wie immer.

Fotos: Autor (3), Archiv und Zeitgeschehen (2)




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