Warum interessieren sich scheinbar so wenig Ahrensfelder für Politik?


Was für eine Frage. Ich habe zwar ach studiert, ich armer Tor, wie es in Goethes Faust heißt; und bin so klug, wie nie zuvor. Ja, ich habe auch Philosophie studiert. Deshalb nur einige persönliche Gedanken auf der Suche nach der möglichen Ursache.
Erstens ist der Anspruch in den Tätigkeiten enorm gewachsen, fordert jeden Volksvertreter sowohl psychisch als auch physisch heraus. Und weil die meister Ahrensfelder, die zum Glück noch einer Arbeit nachgehen, nicht hier Lohn und Brot finden, kommen Verkehr und Stress oft außerhalb des achtstündigen Arbeitstages hinzu. Da noch ausreichen Zeit für die Familie zu finden, ist ein Balanceakt. Sich politisch zu engagieren, ist dann kaum noch möglich. Das heißt also noch lange nicht, dass die Bürger zufrieden sind, wenn sie die Sprechstunden der Ortsbeiräte nicht nutzen. Das glauben immer noch selbstgefällig Ortsvorsteher.

Zweitens trägt die Politik in der Gemeinde selbst dazu bei, dass die Bürger oft das Gefühl haben, dass ihre Interessen nicht vertreten werden. Da die Bürger beruflich und privat sehr eingespannt sind, haben sie voller Vertrauen in die Wahlversprechen die Verantwortung und die Macht an andere, also die Gemeindevertreter delegiert. Aber so manches Mal wurden sie enttäuscht, fühlen sich sogar verraten. Wer nun glaubte,  die Vernunft habe eine Heimstatt in der neuen Gemeindevertretung und oben im Rathaus, der ist auf dem Holzweg. Es macht sich das Gefühl breit, die machen ja ohnehin, was sie wollen, wir sind ihnen egal. Das resultiert aus solchen Erfahrungen, dass Umfragen durchgeführt werden, oft auf Druck der Bürger, und wenn sie nicht in das Wunschbild von Bürgermeister und AWG, der CDU und SPD  und weiterer in der Gemeindevertretung passen, einfach ignoriert werden. Und die Leute fragen sich, wozu wurde scheinbar abgestimmt, wenn meine Stimme, obwohl in der Mehrheit, keinen Sinn macht? Oder so ausgezählt wird, bis das Ergebnis stimmt. Und Beiräte der Senioren zum Beispiel zur Mitsprache werden ja offensichtlich gefürchtet wie der Teufel das Weihwasser. Aber für Kinder und Jugendliche ist das Klima freundlicher, wer versteht denn diesen dualen Unsinn.

So, liebe Leute, werden Politikverdrossenheit und Wutentscheidungen bei Wahlen gefördert und Nichtwähler generiert. Und eine Gemeindevertretung, die nicht konsequent die Interessen der Einwohner vertritt und unzureichend für das Gemeinwohl sorgt, jedenfalls wenn es die Bürger so empfinden, konterkariert sich selbst, wird überflüssig.

Und dann ist da drittens das konkrete Leben, das ganz andere Schwerpunkte stellt. Die wichtigsten Fragen, die von der Gemeinde nur in ganz geringem Maße beeinflusst werden können, sind: Arbeit, Löhne, Preise, Renten, auch Bildungsmisere und Frieden. Die Energiepreise gehen wegen einer verfehlten Politik durch die Decke. Die Lebensmittelpreise folgen ihnen und die Arbeit ist im industriellen Niedergang nicht mehr so sicher. Froh darüber zu sein, dass sich ein weltgroßer Discounter hier mit einem Logistikzentrum mit einigen wenigen Arbeitsplätzen im Niedriglohnbereich niederlässt, ist keine Lösung unseres Problems, auch wenn Herr Gehrke es anders sieht. Die Gemeinde könnte, wenn sie Kraft und Intelligenz dazu hätte, zukunftsträchtige und umweltfreundliche Arbeitsplätze generieren. Aber dazu taugt die Infrastruktur nicht, denn solche Unternehmen, fordern mehr als einen Spielplatz oder ein, zwei Restaurants in fünf Ortsteilen und eine miserable ärztliche Versorgung, Verkehrschaos inklusive und eine zersiedelte Umwelt.

Da ist noch ein viertens Problem. Ahrensfelde wächst und wächst. Das ist schon längst keine dörfliche Gemeinschaft mehr. Und mit dem Wachstum wuchert die Entfremdung. Das unterscheidet unsere Gemeinde in manchen neuen Siedlungen nicht wesentlich von Hochhausbatterien in Marzahn oder im Märkischen Viertel in Reinickendorf. Urbane Anonymität. Man kennt noch gerade die Nachbarn rechts und links und vielleicht noch einige in der Straße, weil sie auch mit dem Hund Gassi gehen.

Und da beißt die Maus keinen Faden ab, obwohl Bürgermeister Gehrke es anders darzustellen versucht und die Realität verdreht, reißen die Gräben zwischen den Ortsteilen wieder auf, die wie viele Stammbewohner meinen, zwangsvereinigt wurden. Und je weiter Siedlungsbau von den Ortskernen entfernt entstehen, um so mehr kapseln sie sich ab, um so entfremdeter werden die Bewohner bei örtlichen Ereignissen, um so weniger Interesse zeigen sie für örtliche Politik, wenn sie ein kleines privates Glück mit Haus und Garten, einer intakten Familie und einen sicheren und leidlich bezahlten Arbeitsplatz haben.

Ob das geändert werden kann? Es muss! Und deshalb muss auch darüber endlich einmal nachgedacht, geredet und auch gestritten werden und wie jeder weiß, ich bin als verantwortungsbewusster Ahrensfelder dabei, sachlich, kritisch und optimistisch wie immer. 

Fotos: Autor


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