Persönliche Gedanken zum Welttag des Buches

Heute ist Welttag des Buches und ich bin schon ein wenig stolz darauf, zur Gilde der Schriftsteller zu gehören, wie das Schriftsteller-Lexikon Auskunft gibt. Das unterscheidet uns von sogenannten Prominenten, die ein Kochbuch oder eine Biografie schreiben lassen und als Autoren durch die Talk-Shows ziehen. Nein, kein Neid, das ist mir fremd.
Und ich genieße es, die Quälerei, weiße Seiten mit etwas Sinnhaften zu füllen, Bücher, die zum Denken Anlass geben, die ein sinnvoller Zeitvertreib sind oder die Fantasie beflügeln. Mein erstes Buch war "Sibirischer Sommer", das der renommierte Brockhaus-Verlag 1978 verlegt hat und nach einer Woche waren die 15.000 Exemplare verkauft.

Den Titel hatte ich gewählt, weil noch immer in Deutschland beiderseits der Grenze die Vorstellung geisterte, Sibirien ist eine Einöde, eingefroren, übersät von Kreuzen der Gulags und Kriegsgefangenenlager. Aber Sibirien ist nicht nur die an Bodenschätzen reichste Region der Erde, eine aufstrebende Macht der Industrie und Wissenschaft, eine Hochburg der Kunst und letztlich eine unendliche Welt vielgestaltiger Landschaften mit zahlreicher Nationen und Völkerschaften mit gastfreundlichen Menschen. Und weil das Klima extrem rau ist, der Winter acht Monate dauert, explodiert förmlich die Natur im sibirischen Sommer, so stürmisch wie die Entwicklung, wachsen Beeren so groß wie ein Daumennagel und Pilze, so groß wie ein Kochtopfdeckel. Ja, in der endlosen Taiga ist die Welt noch in Ordnung, noch!

Dieses Buch war ein Reportageband einer Dienstreise, die ich beleidigt und trotzig angetreten hatte. Eigentlich sollte ich an der Karl-Marx-Universität in Leipzig auf Wunsch der Dozenten einen akademischen Grad erwerben. Das Thema war ebenso interessant und wie ich bald erfuhr auch explosiv: "Der Einfluss der Massenmedien auf die Entscheidungsfindung von Jugendlichen". Zwischen 14 und 16 stürzen so viele Ereignisse und Entscheidungen auf die Teenager herein und ich wollte untersuchen, wie Fernsehen, Rundfunk und Presse dabei mitwirken. Es gilt sich für einen Beruf zu entscheiden, die Ausprägung der politischen Orientierung und Weltanschauung und schließlich die Entdeckung der Gefühle und des anderen Geschlechts.

Ein reizvolles Thema, für das ich Jugendsendungen von Fernsehen und Radio herbeiziehen wollte und die Jugendpresse. Aber nicht nur aus der DDR, sondern auch von RTL und der beliebten "Bravo", einer westdeutschen Jugendzeitschrift mit einer Auflage von fast 2 Millionen Exemplaren. Der Titel und das Exposè waren in Lepzig glanzvoll verteidigt, doch irgendwie bekam das Ministerium für Volksbildung von dem Vorhaben Wind. Dem stand damals Erich Honeckers Frau Margot vor, die mich nach Potsdam zitierte. Ein Staatssekretär empfing mich mit einer ganzen Reihe streng aussehender Genossen.

Der Staatsbeamte  schlug eine Mappe auf, sah mich über seine Brille an und sagte, soweit ich mich noch erinnern kann, Folgendes: Also Herr Studiosus. Das ist kein journalistisches Thema, sondern eines der Kinder- und Jugenderziehung und gehört in unseren Verantwortungsbereich. Zweitens würden wir die Thematik so nicht zulassen, denn unsere Jugendlichen sehen kein Westfernsehen und hören auch keine Sender des Klassenfeindes. Sie lesen auch keine billige oberflächliche Schundliteratur, die zudem noch pornografische Inhalte verbreitet. Und drittens scheinen Sie uns mit Ihrer einseitigen Ausbildung als Rundfunkredakteur nicht für geeignet und berechtigt, so ein Thema anzugehen. Das soll ich Ihnen im Namen der Ministerin mitteilen. Geben Sie Ihren Passierschein bei der Sekretärin ab zum Unterschreiben.

Ich hatte nicht einmal die Möglichkeit mich und meinen Doktorvater zu verteidigen und die weltoffenen Jugendlichen, denen der "Antifaschistische Schutzwall" nicht den Konsum von Massenmedien über die Grenze verhinderte. Außer in Dresden, im "Tal der Ahnungslosen". So endete meine akademische Karriere noch bevor sie begonnen hatte und begann mein Weg als Schriftsteller.

Auch ja, auch die Veröffentlichung des Buches hatte Nachspiele. Der Botschafter der UdSSR in der DDR, Pjotr Abrassimow schickte mir ein Schreiben der Anerkennung, "Die Weltbühne" veröffentlichte eine ganzseitige und lobende Kritik und meine Nachbarn sprachen nicht mehr mit mir. Denn der Brockhaus-Verlag fragte mich, ob ich statt des Honorars einen Trabant haben wollte, die beliebte Rennpappe. Natürlich entschied ich mich für den "Trabbi". Aber meine Nachbarn wussten, dass ich keine Anmeldung für das Auto hatte, auf das sie zehn Jahre mit Anmeldung warten mussten. So war das.

Inzwischen habe ich 25 Bücher geschrieben, von Romanen, Erzählungen, Lyrik bis zu der dreiteiligen Romanbiografie über den russischen realistischen Maler Ilja Repin und die Vorgänge am Zarenhof, an der ich zehn Jahre gearbeitet, ja nächtelang geschuftet habe und die internationale Anerkennung fand und bis heute interessierte Leser, worauf ich stolz bin.

Inzwischen sind meine Bücher in allen bedeutenden Buchhandlungen und im Internet bestellbar, sogar bei Goodreads, dem größten Internetportal für Literatur der Welt, gelistet. Natürlich steckt in jedem Buch ein wenig von mir selbst und in einem, "Ich Bombenziel - Krieg tötet Liebe", habe ich sogar ungeschönt Episoden meiner Kindheit und Jugend beschrieben. Wieder aus Trotz, weil westdeutsche Soziologen meinten, wir wären eine verlorenen Generation. Na ja, Meinungsmache, macht sich gut.

Und ich habe den schönsten Beruf, der zu mir passt, denn ich liebe das Leben und Träumen, zwischen Welten und Zeiten und Räumen. Bis heute vergeht kein Tag ohne Zeile. Aber das ist nicht vergleichbar mit dem Blog und auch nicht sachlich, kritisch und optimistisch wie immer, sondern schöpferisch, anstrengend und monatelang in vielen Nächten.

Fotos: Autor




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