Traumtänzer in der Gemeindevertretung? Rund um die B 158 neu

Wenn Menschen sich der Realität verweigern, sind sie Traumtänzer. Gleich zwei Fraktionen haben das Thema B 158 neu auf die Tagesordnung der Gemeindevertretung im April setzen lassen. Ich war verwundert, warum? Gibt es denn irgend etwas Neues in dieser nun schon unendlichen Geschichte? Ja, es wird viel geredet und in der MOZ geschrieben über Planung neuer Varianten, notwendige Abstimmungen, Umarbeitung vorhandener Pläne, die, wie es in den Dokumenten heißt, einen "hohen zeitlichen wie finanziellen Aufwand" erfordern. Von den 2011 veranschlagten 43,7 Millionen Euro kann man sich getrost verabschieden. Aber wer zahlt und wie viel? Das steht noch in den Sternen. Der neu ins Auge gefasste Knoten liegt in Berlin und von dort kommt kaum mehr als eine Zusage zur Prüfung, wenn konkrete Pläne vorliegen. Ja, wenn.
 
Unsere AfD-Fraktion springt auf den rollenden Zug auf, weil ihre Leute in Potsdam das wollen. Nur ist das provokativ oder kindliches Gemüt, dass die Ahrensfelder auf einen Bruchteil der 500 Milliarden Infrastrukturausgaben der neuen Bundesregierung irgendeinen Anspruch hätten? Bleiben wir einmal auf den Boden der Tatsachen: Der Sanierungsstau bei Schulen liegt bei 45,6 Milliarden Euro. 8.000 Brücken an Autobahnen und 3.000 an Bundesstraßen sind marode. (Müssen sie panzertauglich gemacht werden?) 7.112 Kilometer Autobahn werden als sanierungsbedürftig eingestuft. Wenn ein Autobahnkilometer zwischen 6 und 20 Millionen kostet, wäre das bei einem Durchschnitt von etwa 10 Millionen je Kilometer allein schon die unvorstellbare Summe von 711 Milliarden Euro, also mehr als die 500 Milliarden Euro, die in zwölf Jahren zur Verfügung stehen. Kann den niemand hier zwei und zwei zusammenzählen?

Die Carola-Brücke in Dresden, Sinnbild nicht nur für den maroden Zustand vieler Brücken, sondern auch für den Zustand der Infrastruktur in Deutschland

Auch der Antrag von AWG-BVE scheint mir nur eine Reaktion auf den AfD-Antrag zu sein, um der Fraktion nicht das Feld zu überlassen. Beide sind für mich reiner Populismus. Im Koalitionsvertrag der Brandenburger Regierung steht klipp und klar, dass der Erhalt und die Instandsetzung von Straßen Vorrang haben. Von Neubau kein Wort. Im Bundesverkehrswegeplan bis 2030 gibt es 914 Projekte mit hoher Priorität. Sechs Autobahn-Vorhaben in Brandenburg und siebzehn Projekte, darunter auch die B 158 neu, für den Straßenbau. Die Finanzierung ist aber kaum gesichert. Noch ein Fakt, warum nimmt den bei uns niemand zur Kenntnis? Im Doppelhaushalt 2025/26 des Landes Brandenburg gibt es eine Deckungslücke von 4,39 Milliarden Euro bei einem Gesamthaushalt von rund 35 Milliarden Euro. Im Bund sind von den bis 2030 geplanten Mitteln im Verkerkehrswegeplan nur ein Viertel der Projekte realisiert oder im Bau. Aber es sind schon weit mehr als die Hälfte aller geplanten Gelder verwendet, rügt der Bundesrechnungshof. Nun wird sogar von einer neuen Planung für die gesamte Region gesprochen. Das heißt ein Ausschnitt von der B2 bis zur B 1/5. Etwas völlig Neues. Dann wird diese Planung wieder überarbeitet und geht durch die Mühlen der Ausschüsse und schließlich durch Bundestag und Bundesrat. Das kann dauern.
Nun schlägt die Fraktion AWG-BVE sogar vor, zu klagen, wenn es nicht nach unseren Ahrensfelder Wünschen geht. Gegen wen, den Bund, die Länder Berlin und Brandenburg und wogegen? Doch nicht mit den Juristen unserer Verwaltung und dem Geld der Bürger? Etwa, dass die Belange der Einwohner von Ahrensfelde nicht berücksichtigt wurden? Leute, das macht doch unsere Gemeindevertretung auch, wenn ich an das Ergebnis der Umfrage zur EKBO-Siedlung entlang der Lindenberger Straße denke. Also wer im Glashaus sitzt...
Diese Klageabsicht ist eine Selbstüberschätzung, böse Zungen könnten auch sagen Größenwahn, wenn es im Antrag heißt: "Schriftliche Mitteilung von der Gemeinde an das Bundesministerium für Bauen, die zuständige Senatsverwaltung v. Berlin und das Bauministerium des Landes Brandenburg, nicht die vorgestellte aktuelle Planung umzusetzen, sondern die Planung zur Ortsumfahrung entsprechend den Forderungen des Positionspapiers der Gemeinde zu ändern und auszuführen."

Größte Chancen für ein schnelles Planverfahren gäbe es vielleicht nur, wenn Merz oder Klingbeil hier bei uns eine Weile im Stau stünden. Aber das wird nie passieren, so lange die Hubschrauberflotte der Bundespolizei einsatzbereit ist. Und dafür werden die Herren schon sorgen. Aber Scherz beiseite. In den Anträgen der beiden größten Fraktionen unserer Gemeindevertretung spiegelt sich nicht nur ein erschreckender Realitätsverlust und Unkenntnis der Fakten wider, sondern es werden auch Hoffnungen bei den Bürgern über Art und Weise, Zeit und Ziel der Ortsumfahrung Ahrensfelde geweckt, die sie nicht in der Hand haben, die sie nicht realisieren können und die  leider fern ihres Einflusses liegen. Das ist, liebe Leute, Populismus in Reinkultur. 

Ich bin ungerecht? Nein, denn ich frage nur, cui bono, wem nützt das? Sachlich, kritisch und optimistisch wie immer.

Fotos: Autor, Zeitgeschehen, Karte Bundesverkehrsplan 2030 

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