Wenn der Bürgermeister wieder einmal fabuliert - der Gesundheitsskandal
Ja, auch wenn unser Bürgermeister immer wieder gebetsmühlenartig betont, dass die ärztliche Versorgung Sache von Anderen wäre, kommt er damit nicht so leicht davon. Und weil ich, statt irgendwelche Phrasen zu dreschen lieber mit Fakten arbeite, schauen wir uns die Sache doch einmal genauer an. Bereits im Paragraphen 2 unserer Kommunalverfassung für das Land Brandenburg heißt es: "Zu den Aufgaben der örtlichen Gemeinschaft gehören unter anderem die harmonische Gestaltung der Gemeindeentwicklung einschließlich der Standortentscheidungen unter Beachtung der Umweltverträglichkeit und des Denkmalschutzes, die Bauleitplanung, die Förderung von Wirtschaft und Gewerbe, die Gewährleistung des öffentlichen Verkehrs und eines ausreichenden Breitbandzuganges, die Versorgung mit Energie und Wasser, die schadlose Abwasserableitung und -behandlung, die Verbesserung der Wohnungen der Einwohner durch den sozialen Wohnungsbau und die Förderung des privaten und genossenschaftlichen Bauens sowie durch eine sozial gerechte Verteilung der Wohnungen, die gesundheitliche und soziale Betreuung,..."
Das ist doch eindeutig, oder? 97 Prozent der republikweiten gesundheitlichen Versorgung finden nicht in Krankenhäusern, sondern in ambulanten Praxen statt. Und hier ist Brandenburg das Schlusslicht der Republik. Also wenn in Hamburg ein Arzt auf 127 Einwohner kommt, sind es in Brandenburg 276 Einwohner. Es fehlen hier ungefähr 500 Hausärzte, also haben wir eine eklatante Unterversorgung und die wird noch dramatischer, weil viele Hausärzte schon lange das Rentenalter erreicht haben und dennoch weiter praktizieren. So die offizielle Statistik.
Und jetzt kommt es. Unsere Gemeinde hat etwa 14.400 Einwohner und in Ahrensfelde gibt es 20 Ärzte aller Fachrichtungen. Manche kommen extra aus Bernau zur ambulanten Versorgung in die Ulmenallee, die zählen wir sogar mit. Und der Rest ist eine einfache Rechenaufgabe: Einwohner geteilt durch Ärzte ergeben theoretisch wie rechnerisch, dass auf einen Arzt 720 Ahrensfelder Einwohner kommen. Dass das nicht zu stemmen ist, begreift jeder, der einen Hausarzt sucht oder stundenlang in Wartezimmern verbringt. Viele Ahrensfelder, ich gehöre dazu, weichen nach Berlin aus, aber auch da sieht die Sache in Marzahn nicht besser aus. Kein Vergleich mit dem Kurfürstendamm.
Hausarztbesuche sind Luxus und deshalb greifen immer mehr verzweifelte Menschen mit gesundheitlichen Problemen zum Service-Telefon 116 117. Weil sie dort stundenlang in der Warteschleife hängen wählen sie schließlich den Notruf die 112. Und trotz strenger Rückfragen der Einsatzzentrale kommen die Notfallsanitäter und oft auch ein Notarzt für Bagatellfälle, die früher die Gemeindeschwester im Nu erledigt hat. Und das hat wiederum eine Kehrseite, denn dafür sind die Notfallversorger nicht da, sondern vor allem, um woanders wirklich Leben zu retten. So greift eins ins andere.
Die gesundheitliche Versorgung, von Seehofer über Schmidt und Spahn bis schließlich Lauterbach wurde in den letzten Jahren an die Wand gefahren. Das Problem verschärften Millionen Flüchtlinge - von wegen "wir schaffen das dass", - die zum Großteil in ihren Ländern oder Flüchtlingslagern leider überhaupt jahrelang nicht medizinisch versorgt wurden. Ich erspare mir ein Kommentar zum Haushalt "Verteidigungsetat" im Vergleich zu den Ausgaben für die gesundheitliche Versorgung.
Denn die Fakten sprechen für sich. Deshalb diese offiziellen Zahlen: Der Verteidigungshaushalt der Bundesrepublik stieg von 58,5 Mrd. Euro im Jahr 2023 auf 71,75 Mrd. Euro 2024. Gleichzeitig schrumpfte der Etat für das vom Talk-Showprimus Karl Lauterbach verwaltete Ressort Gesundheit von 24,48 Mrd. Euro im Jahr 2023 auf 16,22 Mrd. Euro im vergangenen Jahr. Noch Fragen?
Aber kehren wir nach Ahrensfelde zurück. Das Internet ist voll von Beispielen und Ideen, wie sich Gemeinden, die viel kleiner sind, bemühen, das Problem der gesundheitlichen Unterversorgung zu lösen. Etwa mit einem selbst verwalteten Medizinischen Versorgungszentrum. Aber wir verzichten ja auf gute Beispiele, weil andere, wie oft aus der oberen Verwaltungsetage tönt, noch von uns lernen können. Ja, ja, es ist typisch für uns, jede Unke lobt eben ihren Tümpel. Aber um das Problem ernsthaft zu lösen, müsste in unserer Gemeindevertretung und in dem zuständigen Ausschuss erst einmal erkannt werden, dass es dieses Problem der gesundheitlichen Unterversorgung gibt. Das gehört endlich auf die Tagesordnung, meine ich sachlich, kritisch und optimistisch wie immer.
Fotos: Autor, Cartoons: oben HSB-Cartoon, unten Arno Neuber/IMI