Das Bade-Baden des Ostens - nur besser und billiger - Karlovy Vary


 Zum Wohle, ein Mineralwasser aus der Quelle 6 auf Karlovy Vary! In meinen alten Tagen ist eine jährliche Runderneuerung, andere nennen es Kur, unbedingt, was sich gegönnt werden muss. Natürlich bin ich ein Minderbedarfsfall und seit Jahren von der Krankenkasse von vielen Leistungen ausgesondert, die Kur gehört dazu. Also wird Cent zu Cent gelegt und im Mai nach Karlovy Vary gefahren. Das macht doppelte Freude, dass neben einer fachlich kompetenten und preisgünstigen Kur wir uns dort auch mit Freunden treffen. Wir ziehen das tschechische Mittelgebirge und besonders Karlovy Vary vor, weil dort erstens nur ausgebildete Balneologen an die Patienten herangelassen werden. Zweitens, weil das Mikroklima einzigartig ist. Denn durch das Tal, in dem das Kurviertel der Stadt eingezwängt ist, fließt die launische Tepla und wer des Slawischen mächtig ist, weiß, dass das die Warme bedeutet. Natürlich nicht so heiß wie die Thermalquellen, die bis zu plus 70 Grad aus der Erde sprudeln.
Der Fluss schafft diese eigenartige Luft. Und natürlich wegen der zwölf Mineralbrunnen kuren auch sehr berühmte Leute, neudeutsch VIP´s, im Kurort, der einst Baden-Baden des Ostens hieß und die gleichen Probleme hat, weil seit einigen Jahren die zahlreichen und zahlungskräftigen  russischen Kurgäste ausbleiben.  
Und drittens ist ab Mai die Stadt eine Konzert- und Theatermetropole, was zugleich eine Kur für die Seele bedeutet. In der Vergangenheit war es ein Who is who des Adels, der Literatur und der Musik. Neben Kaiserinnen und Königen, neben Dollarmillionären und indischen Maharadschas gab es kaum eine Berühmtheit, die Karlsbad nicht zu seinen Gästen zählen konnte. So Zar Peter der Große, Maria Theresia, Kaiser Franz Joseph, Richard Wagner, Sigmund Freud, Johann Wolfgang von Goethe, Friedrich Schiller, Theodor Körner, Adalbert Stifter, Theodor Fontane oder Gerhart Hauptmann. Auch Leo Tol­stoj, Iwan Turgenjew oder Nikolai Gogol, Ludwig van Beethoven, Niccolò Paganini, Robert Schu­mann, Johannes Brahms, Frédéric Chopin, Franz Liszt, Richard Wagner oder Max Reger. Dann Fürst Blücher, Fürst Bismarck oder Karl Marx – die Reihe der Namen ließe sich schier endlos fortsetzen. Vor dem Grandhotel Pupp sind die Namen all derer in den Boden eingelassen, die hier weilten.
Ludwig van Beethoven konnte es sich leisten, im Pupp abzusteigen. Ihm hat die Stadt ein monumentales Denkmal gewidmet, das im großzügig angelegten Park vor dem Kurhotel steht, das meine Frau und ich seit Jahren bevorzugen, das Parkhotel Richmond. Etwas außerhalb des lebendigen Kurviertels, das besonders an den Wochenenden von Touristen überrannt wird. Vor allem aus Fernost und es gehört zum Programm, dass sie tschechisches Bier probieren, das sie nicht vertragen und Gulasch mit Semmelknödel vorgesetzt bekommen, die für sie sehr ungewohnt sind.
Dieses Denkmal, ein bedeutendes Werk des Karlsberger Bildhauers Hugo Uher, wurde 1929 anstelle des alten von Kaiser Franz Joseph I. errichtet. Und es erinnert daran, dass das Musikgenie Beethoven im Bömischen Saal des Grandhotels Pupp ein Benefizkonzert gab für die Einwohner des abgebrannten österreichischen Kurorts Baden bei Wien. Aber, so die Chronik, die vornehmen Zuhörer waren nicht gerade sehr spendenfreudig.

Unweit dieses gewaltigen Denkmals befindet sich der malerische Posthof, bei dem die Pferdekutschen mit den illustren Gästen ankamen. Und die Karlsbader schwören bis heute Stein und Bein darauf, dass die Melodie, die  der Postillon einst auf seinem Posthorn blies, Ludwig van Beethoven zum Hauptmotiv seiner Ouvertüre in C-Dur inspiriert haben soll. Die lebendige und fröhliche Atmosphäre von Karlovy Vary, einst Karlsbad, spiegelt sich auch in Beethovens 8. Sinfonie wider, an der der Komponist während seines Karlsbad-Aufenthaltes arbeitete. Bis heute wird an Beethovens Besuche mit einem Beethovenfestival erinnert, das alljährlich im August stattfindet. Das Karlsbader Sinfonieorchester spielt an diesen Tagen die berühmtesten Beethoven-Werke.
Einige Konzerte finden auch im Sächsischen Saal des Pupp statt, der nach seinem Stifter August Kurfürst von Sachsen, der Starke, König von Polen benannt wurde. Der prunksüchtige Herrscher machte sich um die Entwicklung des Kurortes verdient, ließ er hier 1717 doch das erste Theatergebäude erbauen. Er pflegte im Kurort nicht nur seinen Körper, sondern auch seine Seele. Deshalb wurde er von der halben Französischen Oper begleitet, die im Sächsischen Saal täglich Ballett und Konzerte aufführte. Begleitet wurde er auch von seiner ersten Mätresse, Aurora Gräfin von Königsmarck. Sie war einmal mehr der Beweis, wie gesund die Thermal-Bäder sind, denn sie war im dritten Monat guter Hoffnung. Sie schrieb: "Ich glückliche Göttin der Liebe, behalte doch immer das Feld, beherrsche durch liebliche Triebe, die Hölle, den Himmel, die Welt." Doch es war nur ein kurzes Glück. Denn es gab für den Kindesvater ein pikantes Problem, weil auch seine kurfürstliche Gemahlin Christine  Eberhardine von Brandenburg-Bayreuth nach drei Jahren Kinderlosigkeit endlich schwanger und auch im dritten Monat war. Aurora floh aus Dresden nach Quedlinburg.
Es gibt viele Geschichten und Anekdoten über bekannte Kurgäste. Zar Peter der Große (nebenstehend seine Büste in Karlovy Vary) kam zweimal, 1711 und 1712, ins Bad. Er half sogar, wie es seine Art war, zuzupacken, beim Bau des Hauses "Zum Pfau" gegenüber seines Quartiers im Peterhaus. Hier traf er auch mit Leibniz zusammen, den er als Geheimen Justizrat für russische Dienste gewinnen konnte. Die Gründung der Akademie der Wissenschaften zu St. Petersburg geht auf diese Begegnung zurück. So begann eine schöpferische Blütezeit deutsch-russischer Beziehungen, die über drei Jahrhunderte Zarendynastie der Romanows auf vielen Gebieten vor allem Russlands Entwicklung zum Guten beeinflusste.
Goethes Name ist wie kaum ein zweiter mit Karlsbad verbunden. Zwölfmal weilte er zwischen 1785 und 1820 zur Kur in der Sprudelstadt, oft im Haus "Zu den drei Mohren" und mancher dieser Aufenthalte dauerte länger als drei Monate. Neben den Pflichten und Zerstreuungen des Badelebens war Goethe fast ununterbrochen tätig. Hier arbeitete er am „Wilhelm Meister“, an der „Iphigenie“, an den „Wahlverwandt­schaften“ und an „Dichtung und Wahrheit“, hier entstanden Gedichte für den „West-östlichen Diwan“, hier ging er seinen naturwissenschaftlichen Interessen nach und durchforschte die Pflanzen- und Gesteinswelt, er malte, zeichnete, führte zahllose Gespräche und flirtete auf Teufel komm raus.

Aber das sind schon wieder andere, für einen Schriftsteller faszinierende Geschichten und ich will es dabei belassen, weil die Sauerstofftherapie nach Manfred von Ardenne ruft.

Ach übrigens, ich bedaure sehr, als ein gewissermaßen inoffizieller Chronist des Geschehens in unserer Gemeinde nicht bei den Feierlichkeiten zum 650. Jubiläum von Ahrensfelde dabei zu sein. Deshalb ist es auch keine Absicht, nicht von dem sicher abwechslungsreichen Programm, das viele Ahrensfelder Bürger gestalten, zu berichten. Schade, aber Sie, liebe Leser des Blogs "Moreikes Ahrensfelde" werden sicher dabei sein. Also viel Spaß! Und darauf ein echtes Pilsner von der Galerie des "Café Elefant", wo schon Goethe seine Schokolade genoss. Aus der Ferne: Na zdravi!  Zum Wohle und wie immer, sachlich, kritisch und optimistisch.


Fotos: Autor (4) Archiv und Museum Karlovy Vary

 











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