Weniger Bildung, weniger Verstand, mehr Soldaten? (Achtung, nicht ganz satirefrei)

Der beliebteste Politiker aller Zeiten, jedenfalls wenn irgendjemand das getürkte ZDF-Politbarometer ernst nimmt, ist der Obergefreite der Reserve und Kriegstüchtigkeitsminister Pistorius. Und wo er geht und steht wirbt er für das ehrenpflichtige Soldatentum, für sein Modell "Neuer Wehrdienst"! Und weil die junge Generation nicht so willig ist, eventuell für Deutschland den Heldentot zu sterben, was Pistorius im Bundestag als höchste Ehre so formulierte. "Es geht um die Anerkennung derjenigen, die in letzter Konsequenz bereit sind, das Äußerste für andere zu geben, und die ihr Leib und Leben für unser Land einsetzen." 

Aber wie PISA-Studien belegen, kommen Zweifel auf, ob unsere Jugend überhaupt die nötigen geistigen und technischen Fähigkeiten mitbringt, unser Land der Dichter und Denker mit modernsten Waffen vorwärts zu verteidigen. Ja, vorwärts und nicht in der Heimat, wenn die Frankfurter Rundschau titelte: "Tausende neue Panzer rollen gegen Putin!" Ja, einmal hieß es "Räder müssen rollen für den Sieg" - was für Deutschland in der größten Katastrophe endete und ich als Kriegskind nie wieder, in welcher Form auch immer, hören wollte.

Vielleicht interessieren sich die weniger wehrbereiten Jahrgänge für friedliche, moderne Berufe der Wertschöpfung. Denn überspitzt und streng ökonomisch gesehen, sind Soldaten Schmarotzer, nicht am Wertschöpfungsprozess beteiligt. Im Gegenteil, sie kosten. Sie bauen keine Wohnungen, reparieren keine Brücken und Straßen, heilen keine Kranken, pflegen keine Senioren, lehren keine Mädchen und Jungen vom ABC bis zu Hochschulreife, also leben auf Kosten all derer, die Werte schaffen. 

Kürzlich hat die Bundeswehr eine Ausschreibung für 8.400 Leichensäcke aus Kunststoff, luft-, wasser- und gasdicht, so das Bundesamts für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr, kurz BAAINBw, gestartet.  Zugleich aber auch betont, dass die derzeit gesuchten 8.400 Leichensäcke nur „zum einmaligen Gebrauch“ gedacht sein sollen. Der Haushalts- und finanzpolitische Sprecher der SPD in der Bremer Bürgerschaft, Arno Gottschalk, kommentierte die Ausschreibung der Bundeswehr zum Erwerb Abertausender Leichensäcke mit folgenden Worten: „Die ganze Logistik-Kette im Blick? Die Bundeswehr möchte 8400 Leichenbergesäcke bestellen, aber nicht kommentieren, wofür.“ Ja wofür eigentlich? SPD-Parteichef Klingbeil wird es schon wissen. 

Und weil, wie Einstein sagte, auf einen klugen Kopf nun einmal kein Stahlhelm passt, legte der beliebteste Genosse Pistorius, also der angeblich soziale Demokrat, noch einmal erklärend nach. "Mit Sozialleistungen und Bildung lässt sich das Land nicht verteidigen." Steht nicht auch die mentale Kriegsvorbereitung bei uns unter Strafe? Wieder Granaten statt Butter, das kommt mir irgendwie bekannt vor. 

Also daher dieser mickrige Bildungsetat, um genug nützliche Idioten zu finden, die erstens glauben, weil es von den Politikern gebetsmühlenartig gesagt wird und von der medial im Gleichschritt marschierenden Presse und dem Fernsehen immer wieder gepredigt wird, dass der Russe uns spätestens 2029 überfallen wird. Ein Potsdamer Historiker mit Namen Neitzel fabuliert sogar vom "letzten Friedenssommer". Natürlich ohne einen Beleg dafür zu haben. Ja amerikanische Geheimdienste und Trump sagen sogar das Gegenteil. Und um dann zweitens genügend bildungsferne junge Männer, Frauen sind noch nicht vorgesehen, zu finden, die sich den Stahlhelm auf ihr umnebelte Gehirn aufsetzen lassen.  So jedenfalls verstehe ich diese Aussagen. Das spiegelt ja auch die Haushaltsplanung des Bundes wider. 

Während der Etat des Verteidigungsministeriums (BMVg) von 62,4 Mrd. Euro 2025 auf 152,8 Mrd. Euro 2029 steigt, also dem Jahr, in dem nach Kiesewetter und Co. der Russe uns angreifen wird, sinkt der Betrag für Gesundheit (BMG) von läppischen 19,3 Mrd. Euro in der gleichen Zeit auf 17,1 Mrd. Euro und der Etat für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMBFSFJ), also ein Ministerium mit einem so umfangreichen Aufgabenbereich, macht einen wahnsinnigen Sprung von 14,2 Mrd. Euro auf 14,8 Mrd. Euro. Also insgesamt 2,82% vom Bundeshaushalt. (siehe Tabelle).

Ein verantwortungsvoller Journalist, jedenfalls der seinen Namen und das Attribut noch verdient, plappert und schreibt nichts nach, sondern denkt, prüft und recherchiert. Uns siehe da, im Ranking von 30 europäischen Staaten nimmt Deutschland bei den Ausgaben für Bildung gerade einmal den 19. Platz ein, sogar noch hinter Lettland, Malta, Zypern und Island. Ja, Kriegspropaganda ohne Ende und die vom ehrenvollen Soldatentod, bloß nur nicht nachdenken. 

Aber ich gehöre noch zur Generation, die den Krieg in all seinem Grauen erlebt hat, die Bomben und den Hunger, die Krankheiten und den Tod noch Jahre danach. Ich habe die Friedhöfe für deutsche Soldaten in Russland gesehen, eine Landschaft beherrscht von Kreuzen und Stelen mit deutschen Inschriften.

Bei dem russischen Dörfchen Sologubovka südöstlich von  St. Petersburg fanden 56.416 deutsche Soldaten des II. Weltkrieges ihre letzte Ruhe. Vielleicht auch mein Vater? Insgesamt sind an der "Ostfront" 3,8 Millionen Soldaten der  Wehrmacht gefallen.      

Und weil ich auch in Uniform mit den Äskulap-Stab auf dem Jackenärmel gedient habe, weiß ich, dass die 8.400 Leichensäcke einfach zu viel sind. Denn der nächste Krieg wird mit Atomwaffen geführt. Die Atommächte haben sich im gegenseitigen Misstrauen hochgerüstet und verfügen heute Sprengköpfe in der zerstörerischen Kraft von 148.000mal Hiroshima-Bombe. Und die nicht gleich verdampft, zu Schatten geworden oder zu Kohleskulpturen verbrannt sind, die paar noch Überlebenden sind so verstrahlt auf einer lebensfeindlichen Erde, so die überhaupt noch existiert, dass sie langsam oder eher schnell dahinsiechen, egal ob Soldat oder Zivilist. Deshalb demonstriere ich gegen den Wahnsinn unserer Regierung wo und wann ich kann, friedlich, sachlich, kritisch und optimistisch wie immer.

Fotos: Autor, Deutsche Kriegsgräberfürsorge; Archiv

Der nächste Beitrag stellt an einem konkreten Beispiel aus Lindenberg die Frage, ob bei uns alle Bauern Umweltschützer sind, wie es landläufig so heißt.