Als der Tod Fotos machte - 80 Jahre Hiroshima

Und es scheint, als hätten die Regierungen des "Wertewestens", die deutsche eingeschlossen, nichts aus dem nuklearen Irrsinn gelernt. Einstein befürchtete es, denn er sagte: "Ich bin nicht sicher, mit welchen Waffen der dritte Weltkrieg ausgetragen wird, aber im vierten Weltkrieg werden sie mit Stöcken und Steinen kämpfen." Nicht die Zerstörungskraft der Atombombe erschreckte den Nobelpreisträger, sondern die explosive Kraft der Herzen der Menschen zur Bösartigkeit. Unsere Regierung trommelt zur Kriegstüchtigkeit und die Aufträge für die deutsche Rüstungsindustrie und deren Aktien jagen von einem Rekord zum nächsten. Natürlich zu Lasten der Sozialleistungen. Wie kaputt ist denn das? Nein, auch aus den zwei Weltkriegen, die Länder verheerten und entvölkerten, haben Merz und Pistorius, Klingbeil und Hofreiter nichts gelernt, geschweige Einsteins Warnungen verinnerlicht: "Die Rüstungsindustrie ist eine der größten Gefährdungen der Menschheit." Auch meterdicker Beton von Regierungsbunkern sind für Wasserstoff- und Neutronenbomben kein Problem, denn darin überlebt niemand unserer Großmachtstreber und Kriegslüsternen. 

Heute jährt sich zum 80. Mal der Abwurf der ersten Atombombe durch Amerika auf die japanische Stadt Hiroshima. Und die es erlebt und überlebt haben, schildern das unfassbare Grauen so: "Vielen, die den Blitz sehen, kocht die Haut am Körper, ihre Kleidung fängt Feuer. Die, die direkt unter der Explosion stehen, verschwinden einfach: Es ist strittig, ob sie im Wortsinn verdampfen oder so vollständig verbrennen, dass ihre Asche hinfort geweht wird. 

Manche ihrer Schatten brennen sich bei 6000 Grad Hitze in den Asphalt und auf Mauern ein. Als ob der Tod ein Foto machte."

Was damals in Hiroshima geschah, war, wie der Historiker Martin Sherwin einschätzte, „bestenfalls sinnlos, schlimmstenfalls Völkermord“. Sherwin wurde mit dem renommierten Pulitzer-Preis für die beste Biografie über den Physiker Robert Oppenheimer, der als „Vater der Atombombe" gilt, ausgezeichnet. Oppenheimer verurteilte jedoch ihren weiteren Einsatz, nachdem er die Folgen der Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki  gesehen hatte und trat aktiv gegen das nukleare Wettrüsten auf. Die Oppenheimer-Biografie von Sherwin war die Vorlage für das Drehbuch für den 2023 gedrehten Historienfilm "Oppenheimer", der bei der Oscarverleihung 2024 sieben Auszeichnungen erhielt, unter anderem in den Kategorien Bester Film und Beste Regie. 

Aber was waren die Beweggründe für dieses fürchterliche Verbrechen, vor dem selbst in den USA hohe Militärs warnten? Sollten die hohen Entwicklungskosten der Atombomben, etwa zwei Milliarden Dollar den Einsatz rechtfertigen? Waren es, wie einige Theorien behaupten, rassistische Gründe gegenüber den "Japsen"? Militärische konnten es nicht sein, denn Japan lag am Boden, war besiegt und die Frage der Kapitulation war nur noch eine Sache von Tagen. Am 5. Oktober 1945 schrieb U.S. News and World Report: "Sprecher der Luftwaffe sagen, es sei gar nicht nötig gewesen, weil der Krieg sowieso schon gewonnen war. Zuverlässige Quellen beweisen, dass Japan viele Wochen vor dem Abwurf der Bombe zur Kapitulation bereit war. Wir haben eine schreckliche Waffe eingesetzt, um mehr als 100.000 Männer, Frauen und Kinder in einer Art supertödlicher Gaskammer zu ersticken und einzuäschern. Und das in einem Krieg, der bereits gewonnen war oder leicht ohne die Atombombe hätte gewonnen werden können."

In einem Interview mit der Sunday Times am 18. August 1946 erklärte Albert Einstein: "Ich habe den Verdacht, dass die Angelegenheit (die Entscheidung, die Atombombe einzusetzen) durch den Wunsch vorangetrieben wurde...den Krieg im Pazifik unter allen Umständen ohne die Mitwirkung der Russen" zu beenden. 1948 schrieb der britische Physiker Patrick Blackett (1897-1974), Nobelpreisträger 1948, der während des Krieges bei der britischen Admiralität gearbeitet hatte, in seinem in London veröffentlichten Buch über die Atombombe, "…der Abwurf der Atombomben war nicht so sehr die letzte Kriegshandlung des Zweiten Weltkriegs, sondern vielmehr die erste große Kriegshandlung im kalten diplomatischen Kriege mit Russland …."

Soweit einige Fakten, die natürlich in der Geschichtsschreibung des Wertewestens kaum eine Rolle spielen. Zynisch heißt es heute sogar, dass die Bevölkerung Japans nun vom US-amerikanischen Nuklearschirm geschützt wird. 2016 nahm mit Barack Obama erstmals ein US-Präsident an der Gedenkfeier in Hiroshima teil. Eine Entschuldigung für den militärisch sinnlosen und ethisch verbrecherischen Bombenabwurf mit über 150.000 Toten kam dem "Friedensnobelpreisträger", der als US-Präsident die meisten Kriege führte, nicht über die Lippen.

Für mich, der noch Krieg und vor allem die Jahre danach erlebt hat, war dieses beispiellose Verbrechen nicht nur Beweggrund, gegen jedwede Aufrüstung und Kriegsvorbereitung, unter welchem Mäntelchen auch immer, ob Angstmache vor einem Angriffskrieg oder zynische Propaganda für eine Kriegsertüchtigung, einzutreten. Ich empfinde den nun oft gebrauchten Schimpfnamen Lumpenpazifist als Auszeichnung.

Patriot sein, heißt heute Pazifist sein, heißt auch, sich einzubringen für Frieden und Völkerverständigung, auch mit Russland, gegen atomare Teilhabe, für die Abschaffung der Atomwaffen und ein weltweites Atomwaffenverbot. Und all das habe ich versucht, in einem Gedicht zum Ausdruck zu bringen:

Hiroshima, mon amour

Eingebrannt in Stein
kaum sichtbar ein Schatten nur
wo einst ein Mädchen saß,
Hiroshima, mon amour.

Stiller Protest
und dumpfer Bronzeglockenton
umrunden mahnend unsre Welt
erinnernd an den Feuerball
in dem Amerikas Unschuld verglühte.

Ein Ruinentor, 
ein Leichenfeld im Kirschblütenland
aus dem ein Mahnruf uns beschwört:
Nie sei´s Soldat du, gespaltenes Atom
das nur Arbeiter und Ärzten gehört.

Ein alter Ginkgobaum allein
widerstand kahl und verbrannt
dem mörderischen Strahlensturm. 
Ein Sterbender mit weißer Kreide nur
auf seine schwarze Rind schrieb
die Worte Hiroshima, mon amour!


Fotos: Archiv Hiroshima Gedenkstätte, Zeichnung Autor, Logo Vecteezy, Gedicht aus dem Lyrikband "Weltenbummelei"
 

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