Wien feiert das ganze Jahr den 200. Geburtstag von Johann Strauss
Schon das erste Gastspiel war ein sensationeller Erfolg, so dass schon nach den ersten Tagen die bitte herangetragen wurde, auch nächstes Jahr wieder zu kommen Man fuhr seinetwegen und seiner Musik nach Pawlowsk, nicht mehr wie früher in erster Linie wegen des Essens. Der einunddreißigjährige Junggeselle wurde besonders von den russischen Frauen um-schwärmt. Porträts ihres Idols wurden weithin in Buchhandlungen verkauft, und in Schaufenstern von Schmuckläden lagen Ringe und Broschen mit seinem Profil...Wie sehr er verehrt wurde, gibt eine skurrile Anekdote wieder, die ein Orchestermitglied notiert hatte: Auf eine Konzertreise nach Pawlowsk hatte Johann Strauss seinen schwarzen Pudel mitgenommen. Der Komponist wunderte sich zusehends, weil das Fell des armen Tieres immer schütterer wurde. Schließlich schickte er seinen Diener Leibrock mit dem Tier zum deutschen Veterinär in St. Petersburg. Aber sein Diener weigerte sich und gestand reumütig, dass ihm die zahllosen Verehrerinnen viel Geld für eine Haarlocke des Maestros boten. Und da die unerreichbar waren, hatte er diese lieber dem armen Pudel entnommen.
Es blieb nicht aus, dass die russischen Schönen das Herz des Wieners beunruhigten. In Pawlowsk hegte Strauss auch nicht nur einmal Heiratspläne. Bereits im ersten Jahr hatte er zu Saisonende beim Zaren um die Erlaubnis zur Ehe mit der russischen Kaufmannstochter Maria Fränkel ersucht. Obwohl die „Allerhöchste Erlaubnis“ erteilt worden war, ließ der Musiker die Hochzeit im letzten Moment platzen, indem er – nach eigenen Angaben – seine fiktive Verhaftung und Abschiebung durch die Polizei organisierte. Das trug dazu bei, dass sich nicht nur für die seriöse russische Musikkritik mit Strauss beschäftigte, sondern er in den Klatschspalten zu einem unerschöpflichen Thema wurde.
Durch die Widmung mancher seiner Kompositionen für den Zaren und seine Angehörigen wusste Strauss auch die Zarenfamilie für sich zu gewinnen. Nikolai I. engagierte ihn für seine Hofbälle. So war der Großfürstin Alexandra-Walzer der russischen Großfürstin Alexandra Iosifowna gewidmet, die Krönungslieder der Zarin, der Großfürstenmarsch den Söhnen des Zaren Nikolai und Michail Romanow. Zahlreiche Kompositionen wurden nicht nur in Pawlowsk geschrieben, sondern erlebten hier auch ihre Erstaufführung wie die Quadrille St. Petersburg, die Alexandrine-Polka und die Pawlowsk-Polka.
Johann Strauss war der „Salonlöwe“ von Pawlowsk, den die Damen anhimmelten und die Verheirateten unter ihnen brachten die eifersüchtigen Ehemänner zur Raserei. Einmal musste Strauss in die österreichische Gesandtschaft flüchten, verfolgt von einem wütenden russischen Vater mit einem Gewehr, dessen siebzehnjährige Tochter, eine Floristin, fest entschlossen war, nur Strauss und sonst niemand zu heiraten und ihm ihre Ehre zu opfern.
Nicht immer ging es für den Komponisten und Kapellmeister so gut aus, wie in der folgenden Anekdote: Während eines Gastspiels in Pawlowsk stellte ein schneidiger russischer Offizier den Wiener Komponisten und forderte ihn zum Duell. Der Offizier war dahintergekommen, dass seine junge Ehefrau dem Walzerkönig Blumen schicken ließ. Johann Strauss nahm die Aufforderung zum Duell unter der Bedingung an, dass der eifersüchtige Ehemann ihn vorher abholen komme. Als der Offizier das Appartement des Maestros betreten hatte, sah er Unmengen an vorhandenen Blumensträußen. Johann Strauss sagte: „Bitte sehr, suchen Sie sich die Blumen ihrer Frau heraus.“ Die beiden Männer mussten lachen und der Offizier zog die Aufforderung zum Duell zurück.".
Ja, liebe Freunde, das war eine Hommage an Johann Strauss und nicht weniger an die russischen Frauen und letztlich natürlich auch eine Werbung für eines meiner Taschenbücher, denn schließlich ist bald Weihnachten. Ansonsten geht es wie gewohnt mit dem Hier und Heute aus der Barnimer Provinz weiter, sachlich, kritisch und optimistisch wie immer.
Fotos: Autor, Dokumente Archiv Moreike, Karikatur Strauss von Laczlo Frecskay 1876
Auszüge aus "St. Petersburg, der baltische Diamant" Geschichten aus drei Jahrhunderten von Hartmut Moreike

